Vindsäck - Vorstellung eines Winterutensils

  • Ich möchte euch ein kleines Winter-Utensil vorstellen was in Skandinavien weit verbreitet, aber bei uns weitestgehend unbekannt ist: Den Windsack. Manche kennen das Ding aus dem Norden, andere vielleicht aus dem grandiosen Winterbuch von Lars Fält.


    Was ist das also? Im Prinzip einfach nur ein leichter Beutel aus Wind- und/oder wasserdichtemdichtem Material. Bei Hilleberg und Helsport sind die Dinger Viereckig 180*200, oben Winddichtes Material und unten Silnylon, das untere Ende ist offen bzw. lässt sich per Schnurzug schließen, oben ist ein Zipper mit vielen Schlitten um bei Bedarf den Kopf rauszustrecken. Dazu gibts noch zwei abspannpunkte, ne Sicherheitsstrippe und einen festgenähten Packsack. Gewichtsmäßig liegen die bei etwa 500g. Wenn man kein Nähgasteniker ist wie ich, dann kann man sich sowas sicherlich auch selbst basteln! So einen Ding gibt es afaik von Hilleberg, Helsport, Fjällräven und Exped. Etwas ähnlich sind die aus UK bekannten portable bothies und auch das bekanntere Fjellduk ist nicht weit davon entfernt.


    Wo macht so ein Ding wirklich Sinn? Im Winter und vor allem in den Bergen. In meinen Augen ist das zum einen ein Komfortartikel den man gut für eine gemütliche Pause einsetzen kann. Trockener Arsch, nix kalt alles schön.



    Wirklich brilliant wird das Ding aber erst bei Schietwetter. Viele können sich die brutale Kälte durch den wind chill faktor nicht vorstellen, aber gerade in Verbindung mit Feuchte ist das absolut finster: Mal schnell ohne Handschuhe vors Zelt und Schnee zum schmelzen holen sorgt durchaus dafür dass die Hand minutenlang taub ist. Und auch bei Scheißwetter braucht man irgendwann mal eine Pause.
    Stellt euch einfach vor ihr seid auf dem folgenden Bild. Es sind -8°, Windgeschindigkeiten im Mittel um die 60 km/h, der kristalline Schnee der letzten Tage wirbelt duch die Luft und die Fresse fühlt sich an wie gesandstrahlt:



    Das Bild entstand diesen März und es war einer der hellen Momente, meist lag die Sicht unter 30/40m, wir waren den ganzen Tag ohne Wege/Markierungen unterwegs und mußten in einer wenig kontur- und kontrastreichen Landschaft mit Karte & Kompass navigieren. Ist nicht schön, aber auch nicht schlimm. Ist halt an manchen Tagen normal. Und da ist man einfach nur unendlich dankbar wenn man zu weit mit Hund in diesem Beutel hinter den Pulkas schutz findet um seinen Tee und Mittagssnack zu vertilgen. Darin ist es direkt spürbar wärmer. Und in so einer Situation ist das Teil einem Biwaksack haushoch überlegen. Die Skandinavier nennen Wind Chill übersetzt effektive Kälte was auch treffender ist, denn es fühlt sich nicht nur so an, sondern es wirkt auch genauso auf freiliegende Körperteile. Auf der einen Seite ist es komfortabel einen Trockenen Arsch und windgeschützten Sitzplatz zu haben, auf der anderen Seite ist es eine der effektivsten Schutzmethoden gegen Unterkühlung (im medizinischen Sinne). Wer es einmal am eigenen Leibe erlebt hat vergisst nie wieder wie sich Unterkühlung auf die Psyche und damit die Entscheidungsfindung in kritischen Situationen auswirken kann. Perfekter Nährboden für eine Katastrophe...


    Von der Pause zum Bild oben habe ich kein Bild, da hatte ich andere Sorgen, aber hier gibt es einen guten Eindruck von der Anwendung:


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    Und dann gibt es noch die Situation wo der Wind so stark wird dass das Zelt u.U. nicht mehr oder nicht mehr oder nicht schnell genug aufgebaut werden kann. Sprich ein schnelles Notbiwak muss her. Und auch dafür ist ein Windsack besser geeignet. Vor einiger Zeit hab ich die Schnellvariante damit mal an einer Hütte dokumentiert:


    Zunächst eine geeignete flache & nicht so sehr exponierte Stelle suchen, ggf. mit der Lawinensonde schauen wo der Schnee tief genug ist (nichts ist blöder als bei der Hälfte nochmal was neues suchen zu müssen).



    Dann eine Flache Grube ausheben, 1,80 * 2,50 * 0,5m reichen.



    Dann wird der Windsack mit Schneeheringen o.ä. mit den Ecken an der Wind zugewandten Seite befestigt. Eventuell stellt man noch die Pulka/Rucksäcke als extra Windschutz dort hin. Und schon kann man von unten in den Beutel hineinkriechen:



    Und siehe da, innerhalb von 4/5 Minuten ist man komplett aus dem dem Wind:



    Fazit: Für mich ist ein Windsack ein Artikel den ich auf Wintertour aus Komfort und Sicherheitsgünden nicht mehr missen möchte! Ich halte es für zweckmäßig alles für ein Notbiwak immer im/am Rucksack zu haben, auch wenn man eine Pulka zieht. Braucht man so einen Windsack zwingend? Nein, zumindest sofern man was dabei hat um ein alternatives Notbiwak einzurichten.

    Skal hilse fra fjellet – det evige land,
    hvor moskus og jerven har bolig.
    Min lengsel dit inn er blitt som en brann.
    Kun der får jeg fred og blir rolig...


    Jon Ø. Hov

    Einmal editiert, zuletzt von karlson ()

  • Find ich klasse.


    Sag mal meinst du das Ding würd auch beim Sandsturm funktionieren? Da wär die Temperatur zwar nicht von Belang aber Stundenlang gesandtrahlt zu werden kann einen auch wahnsinnig machen.

  • @Desertstorm
    Wäre da nicht ein dichter Baumwollsack nach gleichem Prinzip sinniger?


    -Nachteil
    die Baumwolle ist schwerer.


    -Vorteil
    atmungsaktiver ohne hitzestau

  • Find ich klasse.


    Sag mal meinst du das Ding würd auch beim Sandsturm funktionieren? Da wär die Temperatur zwar nicht von Belang aber Stundenlang gesandtrahlt zu werden kann einen auch wahnsinnig machen.

    Erstmal funktionieren wohl schon, langfristig ist das aber glaube ich nicht so geil. Sand ist halt deutlich abrasiver und verschwindet auch nicht so schnell wie Schnee & Eis. Geht es um Pause oder Übernachtung? Ich könnte mir vorstellen das für dich ne Mischung aus Windsack & Bivi aus winddichtem & unbeschichteten Material gut sein könnte. Ist aber nur ein educated guess. Beim HB Windsack ist die gelbe Seite das gleiche Zeug was die für ihre Innenzelte verwenden, das Zeug ist extrem Winddicht, stark Windabweisend und leicht. Sowas bekommt man auch bei den normalen Myog Quellen.

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  • Erst mal: Klasse @karlson. Das ist eines von den Teilen die man eigentlich gar nicht auf dem Schirm hat, was aber bei gewissen Bedingungen echt brauchbar/supi ist.


    Für uns Mitteleuropäer ist es zwar nicht unverzichtbar, da man ja auch mit nem Poncho viel erreichen kann. Allerdings muss ich sagen: Diese Bothies die angesprochen wurden kenne ich, und die sind echt angenehm. (verstopfte Nase ist allerdings hilfreich wenn man zu zweit da drunter muss ;) )