Winkelschätzung mit dem Körper

  • Hallo Zusammen,


    es gibt sogenannte Faustregeln, womit man einen Winkel mit Hilfsmittel am eigenen Körper bestimmen kann.


    Ich fange hiermit mit der Hand an.
    Es gibt messbare Parameter, die man mit z.B. einem Meterstab erfassen kann, die in bestimmte Zusammenhänge gleichschenklige Dreiecke bilden. Sobald zwei Variabel bei einem Dreieck bekannt sind, kann ein dritter gesuchter Wert trigonometrisch errechnet werden.


    Gesagt, getan, habe ich Hände, Arm, Augen usw. vermessen und einen Satz biometrischen Zahlen für mich erfasst.
    Hier meine biometrischen Zahlen:
    Mein Daumenbreite (Db) beträgt 22 mm.
    Der Abstand (L1) zwischen Auge und gestreckten Daumen bei gestreckten Arm beträgt 65 cm.
    Die Faustbreite (Kb) an den Handknöchel beträgt 95 mm.
    Der Abstand (Gb)zwischen der Spitze des kleinen Fingers und dem Daumen bei gespreizter Hand beträgt bei mir ziemlich genau 200 mm.
    Der Abstand zwischen den Augenpupillen (Ab) beträgt 65 mm.



    Daraus habe ich errechnet, dass die Daumenbreite bei gestrecktem Arm eine angepeilte Öffnungswinkel von 2° entspricht.
    Eine Faustbreite entspricht 8°, oder knapp 10° und die gespreizte Hand eine Öffnungswinkel von 18° (fast 20°).


    Mit diesem Information kann ich zum Beispiel die Zeit bis zum Sonnenuntergang freihändig ermitteln.
    Die Erde dreht 360° um die eigene Achse in circa 24 Stunden, oder 15° in einer Stunde.
    Bei Sonnenaufgang, Sonnenuntergang bewegt sich die Sonne in einer Stunde 15° weg oder hin relativ zum Horizont.


    Ich Strecke also meine Faust so, das der Knöchel des kleinen Fingers oben ist und der Daumen unten.
    Ist die Oberkante der Sonne gerade noch bedeckt und der Horizont genau unter den Knöchel des Zeigefingers zu sehen, habe ich dann in meinem Fall 8,38°/15° x 60 Minuten = 33 Minuten bis zum Sonnenuntergang.
    Da weiß ich, dass ich noch circa eine Stunde Zeit habe bis es dunkel wird. (halbe Stunde bis Sonnenuntergang + halbe Stunde Dämmerung)
    Manchmal ist das ein entscheidender Faktor zwecks rechtzeitigem Nachtlageraufbau wenn man z.B. nicht mehr genügend Zeit hat um bei Tageslicht bis zu einem gewünschten Ziel hinzukommen.


    Wenn ich meine Marschrichtung festlegen möchte und mir ist nur die Nordrichtung* definitiv bekannt, kann ich diese mit Hilfe meinen Händen bestimmen.
    Beispiel: Ich will nach Nordwesten laufen, muss ich zwei mal eine gespreizte Hand und noch eine Knöchelbreite von Norden nach links drehen und anpeilen, dann habe ich die Marschzahl 315°.


    Kleiner Tipp, der ich als junger Vermesser von einem alten Hasen gelernt habe:
    Wenn man schnell einen Winkel von 90° braucht, um z.B. einen Hinderniss zu umlaufen, kann man dies mit der "Hulk Slap!"- Methode 8o machen.
    Hierzu richtet man mit gestreckten Armen nach der bisherigen Peilung aus. Jetzt schwingt man die noch gestreckten Arme gleichmäßig nach innen bis die Hände klatschen (like the Incredible Hulk, but without the "THOOOM"). Die Finger zeigen eine neue Peilung 90° (Winkelhalbierende) von der bisherigen Marschrichtung.
    Ich laufe eine bestimmte Schrittzahl um den Hindernis herum und komme somit in etwa auf meine ursrpüngliche Marschrichtung wieder zurück.


    So das war genug Info für's Erste.
    Es wäre mal interessant Biometrischen Messungen von anderen Leuten zu vergleichen, ob der Daumen- / Faust- / Handwinkel in etwa gleich ist, oder große Abweichungen vorhanden sind. (insbesondere bei den Damen) :thumbup:


    Cheers Mike


    *Edit: genaue Nordrichtung nach Schattensprung, mit Hilfe der Armbanduhr oder nach Anpeilung zum Polarstern ermittelt.

  • ... Ist die Oberkante der Sonne gerade noch bedeckt und der Horizont genau unter den Knöchel des Zeigefingers zu sehen, habe ich dann in meinem Fall 8,38/15 x 60 = 33 Minuten bis zum Sonnenuntergang. Da weiß ich, dass ich noch circa eine Stunde Zeit habe bis es dunkel wird. Manchmal auch ein entscheidender Faktor zwecks rechtzeitigem Nachtlageraufbau.

    Cody hat eine ähnliche Herangehensweise:


    Man streckt die Hand so aus, dass Handinnenfläche zu sehen ist und spreizt den Daumen dabei ab. Der Zeigefinger wird nun an der Unterkante der Sonne angelegt, und mit der anderen Hand (abwechselnd) bestimmt man den Abstand bis zum Horizont. Eine Handinnenfläche (von Oberkante Zeigefinger bis Unterkante kleiner Finger) entspricht dabei etwa 1 Stunde. Entsprechend könnte man grob sagen, dass pro Finger 15 Minuten Zeit verbleiben. 3 Hände bis zum Horizont entsprächen also etwa 3 Stunden.


    Funktioniert, mit gewisser zeitlicher Toleranz (~30 Min.*), relativ gut. Nicht ganz so genau wie @MacGyvers Beispiel, dafür aber mit weniger Rechnerei verbunden.


    *Entspricht derzeit meiner persönlich größten Abweichung. Im Mittel würde ich max. 15-20 Minuten kalkulieren. Meines Erachtens überschaubar.

  • Noch eine Meßmethode für die 30° Aufhängewinkel einer
    Gathered End Hängematte ist, die Hand mit dem Zeigefinger waagerecht nach
    vorne und den Daumen senkrecht nach oben zu halten(So wie früher
    Pistolenschießen mit den Fingern)
    Die gedachte Linie zwischen der Vorderkante des Zeigefingers und
    der Oberkante des Daumens sind 30°. Ungekehrt also Zeigefinger
    senkrecht und Daumen waagerecht sind 60°.


    Gruss
    Konrad

    Wer nicht will, findet Gründe, wer will, findet Wege!

    Member of the "Arctic Circle Society"!

  • Noch eine nette Messmethode mit der Hand:


    Du willst eine Brücke über z.B. einen größeren Bach spannen, aber du weißt nicht wie breit der Bach ist.
    Da kannst du die "Die Napoleon-Methode" für die Bestimmung der Flussbreite ansetzen. :D


    Also stellst du dich zum Uferrand hin, markierst deinen Standpunkt mit einem Stock oder Stein und schaust zur anderen Uferseite. Jetzt nimmst du eine Hand und legst diese an den Stirn, wie wenn du die Augen vor einem blendenden Lichtstrahl beschatten willst und schließt ein Auge.
    Mit der Zeigefinger an der Stirn und Daumen an der Schläfe fixiert, neigst du deine Hand nach unten bis du mit der Fingerkante des kleinen Fingers zur Wasserkante am anderen Uferseite mit einem Auge peilen kannst.
    Mit der Hand so am Stirn fixiert, drehst du dich hin bis du parallel zum eigenen Ufer stehst und den Punkt direkt anpeilen kannst, wo die unteren Handkante der Wasserkante am eigenen Ufer schneidet.
    Jetzt läufst du zu diesem Punkt und markierst die Stelle ebenfalls mit Stock oder Stein.
    Die Strecke zwischen den zwei Punkten auf deiner Uferseite entspricht die Bachbreite.


    Hintergrund:
    2 Werte bleiben bei dieser Methode konstant, nämlich Körpergröße (Ankathete) und Peilungswinkel des Augen. Somit bleibt die horizontale Entfernung (Gegenkathete) am Boden gleich, selbst wenn du dich um 90° um die eigene Achse drehst.


    Edit:
    Anstatt Handkante kannst du zum Beispiel die Kante deiner Hutkrempe zum Anpeilen nehmen. Dabei Kopf beugen bis das Kinn auf das Brustbein anliegt und den Hut nach unten oder nach oben ziehen bis du die Uferkante angepeilt hast.

  • @MacGyver


    Hast du mal versucht, über Dubhe (Großer Wagen) den Polar-/Nordstern mit deiner Länge "Gb" (kleiner Finger - Daumen) zu bestimmen?


    Hat man den Großen Wagen gefunden, ist es eigentlich nicht sonderlich schwierig, den Polar-/Nordstern zu bestimmen. Dennoch fand ich es nicht uninteressant, dass ich mit meiner Gb-Länge (ca. 200mm) fast eine Verbindung zwischen Dubhe und eben Polar-/Nordstern herstellen kann. Macht die Sache bei leicht bedecktem Himmel m.E. etwas einfacher.

  • @08/15
    Nee, habe ich bisher noch nicht probiert. Ich weiß nur, dass der optischer Abstand zwischen Dubhe und dem Polarstern etwas 5 mal so viel ist als zwischen Dubhe (Alpha) und Beta UMa.
    Um den Polarstern bei halbwegs klarer Nacht zu finden, suche ich mit Hilfe des Großen Wagens, Kassiopeia und dem Ursa Minor, gerade das was sichtbar ist
    Vielleicht haben wir Glück, und heute Nacht ist endlich wieder Klar. Glücklicherweise ist der Großen Wagen auch bei Vollmond noch gut zu sehen. Da werde ich dann nachschauen. Danke für den Hinweis.


    Cheers Mike

  • @MacGyver


    Hast du mal versucht, über Dubhe (Großer Wagen) den Polar-/Nordstern mit deiner Länge "Gb" (kleiner Finger - Daumen) zu bestimmen?

    Hi
    Rudi, da am Wochenende die Sternbilder endlich wieder gut zu erkennen waren, konnte ich den optischen Abstand zwischen den "Zeigern" (UM-alpha + UM-beta) und dem Polarstern mit der gespreizten Hand nachmessen. Die Öffnungswinkel war bei mir etwa eine Daumenbreite weiter als die Handspanne, oder 18 + 2 = 20°. Um den Polarstern damit zu orten reicht das bzw. die Lage des Polarsterns bei partiellen Himmelbedeckung zu schätzen.


    Cheers Mike

  • Find ich sehr interessant.


    Ich versuche wo immer möglich nicht zu messern (Wer viel misst, misst viel Mist), sondern Maße zu übertragen.


    Bsp.: Wenn ich wissen will ob ein Baum auf mein 10 m entferntes Lager stürzen kann wenn ich ihn fälle versuche ich nicht die Höhe zu messen. (Ist ein fiktives Beispiel, ist jetzt nicht so, dass ich an dauernd 10 m bäume fälle). Ich stelle mich in einer gewissen Entfernung (z.B. 25 m) so vor den Baum, das die Linien von mir zum Baum und die vom Baum zum Lager einen rechten Winkel ergeben. Dann peile ich über ein Stöckchen, das ich in der Faust halte den Baum so an, dass das untere Ende des Baumes dort ist, wo mein Daumennagel das Stöckchen berührt. Dann mach ich dort wo das obere Ende des Baumes am Stöckchen ist eine Markierung z.B. eine kleine Kerbe mit dem Fingernagel. Dann drehe ich das Stöckchen um 90 Grad richtung Lager. Der Baum fällt dem entsprechend bis dahin, wo die Markierung am Stöckchen ist. Wie groß genau die Distanz von Baum zum Lager oder wie hoch der Baum exakt ist spielt dann keine Rolle.


    Konkrete Distanzen messe ich aber z:B. noch über die Schrittzahl. damit lässt sich recht präzise mit Karten navigieren (auch wenn das ständige Mitzählen nicht gerade entspannend ist).


    Ich brauche mit leichtem Gepäck und in normalem Tempo in ebenem Gelände ca. 65 Schritt für 100 m.


    Im Hinterkopf habe ich, dass sich diese Zahl in Abhängigkeit von unten stehenden Einflussfaktoren ändert. Ich habe aber nicht meine Schrittzahl für alle möglichen Kombinationen dieser Einflussfaktoren estimmt.


    Einfluss auf Schrittzahl hat z.B.:
    - Steigung
    - Wind (Gegenwind, Rückenwind)
    - Laufgeschwindigkeit
    - Gepäck
    - Geländebeschaffenheit (Straße oder unwegsames Gelände)

  • Die Größenverhältnisse von Daumenbreite, Augenabstand, Knöchelabstand, Armlänge etc. sind bei fast allen Menschen gleich. Eine Vermessung ist deshalb i.d.R. gar nicht erforderlich. Die oben angegebenen Gradzahlen gelten daher für fast alle Menschen unabhängig von den tatsächlichen Maßen:


    - Daumenbreite am ausgestreckten Arm = 2°
    - Faustbreite am ausgestreckten Arm = 8°
    - gespreizte Hand am ausgestreckten Arm = 20°

  • Was alte Seemänner gemacht haben, um die Länge eines Baumes zu bestimmen, um zu sehen ob er als Mast was taugen würde, ist die Daumen - kleiner Finger methode. Dabei setzt die Spitze des Daumen an die Nasenspitze an, und der kleine Finger wird in die Höhe gestreckt. Dabei ist zu beachten, dass der Daumen waagerecht zur Nasenspitze platziert ist. Jetzt läuft man solange rückwärts bis die baumspitze und die Spitze des kleinen Fingers übereinstimmen. Die Entfernung zum Baum sollte nun der Höhe des Baumes entsprechen


    So haben sie dann eine Mutprobe gemacht, wenn der vermesser sich seiner Kalkulation sicher war, blieb er an Ort stehen und seine Kameraden fällten dann den Baum. War seine Kalkulation präzise, so würde der Baum direkt vor seinen Füssen landen, wenn nicht gab's Kopfschmerzen.