Sieben Weise und ein Narr!




  • Sieben Weise und ein Narr!

    Es kommt ja nicht alle Tage vor, dass die eigenen Töchter zusammen in fernen Ländern weilen und das der Dienstplan es zuläßt, zur selben Zeit ebenfalls dort zu sein....manche Unternehmungen stehen unter einem guten Stern!

    Eigentlich war die Idee, ein zweites Mal auf den Fujiyama zu steigen, durch Kollegen entstanden. Vor etwa 4 Monaten war ich mit 2 Kollegen auf einer 5 Tagetour durch Europa unterwegs gewesen. Wir verstanden uns hervorragend und irgendwann kam der Fuji ins Gespräch.
    Ingmar erzählte, wie sehr er von einer Besteigung träumte und am liebsten mit seinem Schwager dort rauf wollte. Susanne war ebenfalls sofort Feuer und Flamme und meinte, wie cool das wäre, wenn wir das realisierten...tja, und ich erzählte, dass ich schon mal oben war!
    Und damit kam ich nicht mehr raus, aus der Nummer! Die Zwei bestürmten mich, dass ich ihr Führer, Guide und Guru sei, dass es Vorsehung sei, dass wir drei uns getroffen hätten und ähnlich mystifizierte, fadenscheinige Erklärungen und Begründungen, warum es so sein sollte und ich unbedingt mit müßte!
    Ich wollte erst nicht recht, bzw. ließ erstmal alles seinen Lauf....Wir hielten Kontakt und ich gab einige Tips und Informationen, die ich durch meine Erstbesteigung hatte und wartete ab.

    https://www.bushcraft-deutschl…g-auf-den-fujiyama-japan/

    Zeitgleich war meine älteste Tochter und ihr Freund damit beschäftigt, einen lange Reise zu planen.
    Sie wollen die nächsten 12-18 Monate unterwegs sein, vornehmlich in Australien, aber auch Neuseeland, Indonesien, Thailand etc. stehen auf der gedanklichen Reiseroute. Kurz vor dem Buchen der Flugtickets fragte mich meine Tochter, ob's eine gute Idee wäre über Peking dorthin zu fliegen.
    Ich überlegte kurz und stellte mir vor, wie die beiden in Peking verloren auf dem Tianamen Platz stünden, eingehüllt vom schlimmsten, innerstädtischen Smog überhaupt, als zarte soziale Pflänzchen in einer egomanischen, Ellenbogengesellschaft, umgeben von fremder Sprache und Schriftzeichen....
    Nee, China schien mir als erster Stop für eine Weltreise eine schlechte Wahl! Stattdessen kam mir sofort Japan in den Sinn!
    Da hast Du zwar ähnliche Bedingungen wie Sprache und Schriftzeichen, aber der kulturelle Unterschied zwischen den beiden Ländern ist immens! Außerdem ist Japan flächenmäßig kleiner, die Sehenwürdigkeiten liegen näher beisammen und Japan läßt sich hervorragend bereisen!
    Obwohl die japanische Gesellschaft eine ganz andere ist, als die deutsche, sind die beiden Völker sich in vielen Werten so ähnlich, dass man sich als Deutscher dort sofort wohlfühlt. In Japan ist alles auf Perfektion ausgerichtet, es funkioniert alles und ist bestens organisiert. Da kommen wir als Deutsche gut klar! Jedenfalls geht mir das so und ich konnte mir Tokio als Auftakt für eine Weltreise besser vorstellen, als Peking.
    Die Idee wurde nach kurzer Überlegung angenommen und die Reiseroute flugs noch um einen dreitägigen Stop in Hongkong erweitert und dann stand das Datum für die Ankunft in Tokio fest. Am 20. August wären sie dort.


    Nun habe ich noch eine 18 jährige Tochter, die auch gerne reist und schon immer mal nach Japan wollte! Sie hat kurzer Hand ihre Barschaft gezählt, sich 2 Wochen von der Schule befreien lassen, Papa um ein ID-Flugticket gebeten und ist ihrer Schwester 5 Tage später hinterhergeflogen. Nicht spontan, sondern schon alles verabredet und so trafen sich die drei in einem reservierten Mini Apartment in Shinjuku, einem Stadteil von Tokio. Respekt!

    Paralell zu den Reisevorbereitungen meiner Tochter standen meine Kollegen und ich in Kontakt und planten ebenfalls. Wir mußten ja einen geeigneten Zeitpunkt finden, außerdem mußten wir alle den gleichen Flug requesten, d.h. dienstlich beantragen an einem bestimmten Tag, an einen bestimmten Ort zu fliegen.
    Wir hatten Glück und bekamen tatsächlich den Flug nach Tokio /Haneda zugewiesen.
    Allerdings war aus unserem Trio nur noch ein Duo geworden, denn Susanne konnte zu dem Zeitpunkt leider nicht dabei sein. Bis zum Schluss bibberte Ingmar noch, ob sein Schwager überhaupt mitkäme, denn der Flieger schien heillos überbucht. Aber wie eingangs schon erwähnt, stand die Unternehmung unter einem guten Stern und es klappte alles wie am Schnürrchen!
    Und so kam es, dass wir am 21.08. nach Tokio flogen und nach knapp 11Stunden Flugzeit mit 7 Stunden Zeitverschiebung auf dem Flughafen HND landeten.
    Lokal war es ca. 12:30 Uhr mittags und bis wir im Hotel waren, war es bereits früher Nachmittag.
    Nach nur 2,5 Stunden Schlaf war die „Nacht“ vorbei und mit einer heißen Dusche und einem starken Kaffee wurden die Lebensgeister geweckt.

    Wir waren gegen 18:15 Uhr in der Hotellobby verabredet . Meine Töchter wollten/sollten zu dem Zeitpunkt dort sein, denn zum einen wollten sie ihr Gepäck in meinem Hotelzimmer deponieren und zum anderen, fuhr der Hotelshuttlebus zum Bahnhof um 18:30 los.
    Wer eigene Kids im Teenageralter hat, weiß wie's um deren Pünktlichkeit bestellt ist und ahnt, in welchen Gefühlswelten ich weilte!
    Zumal Tokio eine gigantische Stadt ist, in der man sich erstmal zurechtfinden muss! Sich da zu verspäten ist ein leichtes!

    Wir hatten Tickets für den letzten Expressbus zu Fuji reserviert. Unsere „Reisegruppe“ war inzwischen auf 8 Personen angewachsen, denn 2 andere Crewmember hatte ebenfalls die Idee gehabt, den Fuji zu besteigen.
    Die Kids kamen spät aber noch rechtzeitig und so befanden wir uns alle, eine Stunde später, im Expressbus zur 5th Station des Mt.Fuji.
    Es war ein tolles Gefühl die drei wiederzusehen und mit ihnen nun im Bus zu sitzen und von ihren bisherigen Erlebnissen zu erfahren!
    Gegen 22:00Uhr stiegen wir bei Dunkelheit aus dem Bus und machten uns Startklar, während um uns herum die letzten Geschäfte schlossen und ihre Lichter löschten.


    Gemeinsam zogen wir los. Der Yoshida-Trail war unsere Route und auf den ersten 2 km begleitete uns leichter Nieselregen. Trotzdem bot sich uns ein phantastischer Blick ins Tal, von wo aus uns tausende bunte Lichter der Ortschaften entgegen funkelten.
    Die 6th Station erreichten wir relativ zügig nach einer Stunde und gut gelaunt machten wir eine erste kurze Rast. Ab hier sollte sich unsere Gruppe auseinanderziehen und erst am Gipfel wiedervereinen.
    Das eigene Tempo,bzw. die Zusammensetzung unserer Gruppe führte zwangsläufig zu einen temporären Trennung. Meine Kids und ich bildeten
    einen Teil, Ingmar und sein Schwager und die beiden Kollegen den anderen.
    Meiner älteste Tochter ging es gleich von Beginn ab nicht besonders gut, denn sie hatte sich bei der Rast nicht ausreichend genug warm eingepackt, sodass sie die darauf folgenden Stunden erbärmlich fror.




    Erschwerend kam hinzu, dass der Aufstieg auf den Fuji kein Kinderspiel ist, sondern anstrengende und fordernde Passagen hat, die einen tüchtig ins Schwitzen bringen! Es ist also ein ständiger Wechsel zwischen heiß und kalt. Unglücklicherweise hatte sie außerdem die falsche Kombination aus Funktions- und Baumwollbekleidung an, was zusätzlich ein Trocknen und Diffundieren verhinderte.
    Dadurch war unserer Aufstieg geprägt von der ständigen Sorge um sie, zumal sie auch konditionell an ihre Grenzen kam, bleich wirkte und mental immer sensibeler wurde! Aber mit vereinten Kräften gelang es uns immer wieder für Motivation zu sorgen und Stück für Stück den Vulkan zu bewältigen.
    Auf dem Weg nach oben sahen wir viele Wanderer, denen es ähnlich erging, oder schlimmer! Mehrfach konnten wir Wanderer sehen, die sich mit O2_Flaschen mit einen“Hit“ Sauerstoff versorgten. Diese O2-Flaschen konnte man in den Läden an den Stationen kaufen. Genauso wie Wasser, Snacks etc. Auf dem Gipfel kostet 1 ltr. Wasser 10€! Nicht schlecht,was?



  • Die Temperatur lag so um plus 2°C, aber es pfiff teilweise ein heftiger Wind, der die gefühlte Temperatur noch mal deutlich absinken ließ. Solange man in Bewegung war, war es noch erträglich, aber das letzte Stück vor dem Gipfel, war besonders nervend und anstrengend!





    Wir standen in einem Riesen-Gipfel-Stau! Hunderte von Wanderern kamen nur schrittweise voran und der kalte Wind blies teilweise mit einer Wucht, dass man aufpassen mußte, nicht umgeweht zu werden! Auf den letzten 500 Metern, für die man gut 1Stunde Zeit brauchte, standen mehrere Männer von der „Bergwacht“ und regelten den Verkehr!


    Mit blinkenden Warnwesten, Helm und Megaphon versuchten sie die Menge anzutreiben und in Bewegung zu halten. Morgens um 5:30 Uht!
    „Hurry-Hurry-Move“ war zu hören und leider wurden wir Zeuge einer unschönen und für Japan völlig untypischen Situation. Als nämlich einer dieser Männer, einer Gruppe Südamerikaner, die sich außerhalb der markierten Strecke befand, erst lautstark mit dem Megaphon ins Gesicht brüllte und schließlich tatsächlich tätlich wurde und einer Frau und einem Mann ins Gesicht schlug.
    Die Südamerikaner waren nicht sofort der Aufforderung gefolgt aufzustehen und hatten vielleicht mit ihrem Verhalten die Reaktion etwas provoziert, aber für Japan ist dieses Verhalten trotzdem absolut untypisch und fast schockierend!
    Meine japanische Kollegin, der ich das erzählte, konnte es garnicht glauben und begründetet das Verhalten mit Fürsorge, zum Schutz der Wanderer, die sich wahrscheinlich selbst in Gefahr gebracht hatten und unter Gewalt wieder zurückgeführt werden mußten.
    Tatsächlich stürzen wohl neuerdings immer häufiger Leue ab, bei dem Versuch ein Selfie zu machen!


    Im Vergleich von vor 2 Jahren, hatte ich das Gefühl, dass deutlich mehr Leute unterwegs waren. Es gab eigentlich keine Passage, wo wir alleine wanderten. Ständig überholte man andere, oder wurde überholt. Die Stationen waren mit rastenden Wanderern immer gut gefüllt und es war kaum ein Sitzplatz zu finden. Je höher wir kamen, desto mehr Menschen kamen zusätzlich aus den Hütten, wo sie übernachtet hatten, um nun dem Sonnenaufgang am Gipfel beizuwohnen.


    Kurz vor dem Gipfel war ich konditionell auch ziemlich am Ende. Vom Bio-Rhytmus her waren wir zu einer guten Zeit gestartet -Nachmittags, 16:00 Uhr deutsche Zeit-, aber ich war ja vorher schon fast 24 Std. wach gewesen und hatte dann nur 2,5 Std. schlafen können. Den Gipfel erreichten wir nach ca. sieben Stunden Aufstieg und ich war teilweise froh, dass es so langsam ging, denn meine Tochter und ich hätten garnicht schneller gekonnt! Teilweise wurde uns schwindelig und mußten uns einfach hinsetzten.
    Einem meiner Kollegen erging es sehr viel schlechter. Er zeigte wohl alle Anzeichen einer Höhenkrankheit und hatte mit hämmernden Kopfschmerzen und Übelkeit zukämpfen, was sich später beim Abstieg paradoxerweise wohl noch verschlimmerte und er bleichen Gesichtes, mit Tunnelblick, fast apathisch die nicht endenwollenden Serpentinen hinabschritt, links und rechts begleitetet von Ingmar und seinem Schwager, die seine Ausrüstung trugen.
    Der Abstieg führt über Schotterpisten an 45° steile Vulkanhänge entlang und dauert etwa 3,5 Stunden. Er begab sich, zurück an der 5th Station, in ärztliche Behandlung, wurde untersucht und mit der Diagnose „Höhenkrankheit“ wieder „entlassen“. Er war von den Umständen selbst überrascht, da er sportlich ist und konditionell belastbar und kein Mensch ist, der aus Eitelkeit Risiken eingeht,oder ähnliches. Das Leben steckt halt voller Überraschungen!



    Auf dem Gipfel konnten wir dann den spektakulären Sonnenaufgang sehen und ich freute mich, dass wir diesmal klare Sicht hatten, denn vorheriges Mal war mir das nicht vergönnt gewesen!




    Nach einer viertel Stunde hatten sich die Massen an Schaulustigen bereits etwas aufgelöst und machten sich auf den Weg den Krater zu umrunden, oder wieder abzusteigen.
    Ich hatte erstmal Hunger und schmiss den Jetboil an, um Wasser für unsere Trekkingmeals zu erhitzen. Meiner Tochter ging es deutlich besser und in einer Rettungsdecke gehüllt, wärmte sie langsam auf!



    Währenddessen tauchten auch die anderen unserer Gruppe auf und gesellten sich zu uns. Ich hatte eigentlich gedacht, wir würden nun zünftig zusammensitzen, etwas essen, Kaffee kochen und unsere Erlebnisse erzählen, aber der Gesundheitszustand unseres Kollegen veranlaßte Ingmar darauf zu drängen schon langsam wieder aufzubrechen. So verabredeten wir uns, uns wieder unten zutreffen.



    Der Abstieg war nervig! Teilweise kam er uns anstrengender vor, als der Aufstieg!
    Die steilen Serpentinen schienen nicht enden zu wollen und waren extrem rutschig, sodass es echt anstrengend war hinunterzulaufen. Die Erschöpfung machte sich bemerkbar, die Konzentration ließ nach und außerdem schien die Sonne inzwischen mit zunehmender Kraft und wir entledigten uns immer mehr unserer Kleidung.







    Der Durst kam außerdem!
    Auf der gesamten Strecke abwärts, gab es nicht eine Gelegenheit Wasser zu kaufen o.ä.! Es war echt kriminell!
    Ich hatte die gleiche Menge Wasser dabei gehabt, wie das letzte Mal, nämlich 4,5 ltr. Damit war ich damals gut hingekommen, aber diesmal hatte ich fast 1ltr. „verkocht“ und der fehlte nun.


    Sehr durstig erreichte wir, 12 Stunden nachdem wir gestartet waren, wieder die 5th Station und labten uns an kühlen Wasser und Coke!
    Welch Genuss! Die anderen, unserer Gruppe waren bereits da und hatten sich schon etwas erholt!


    Unsere reservierte Rückfahrt um11:00 Uhr war zeitlich perfekt getimed und wir waren froh, als wir entspannt in den Bus steigen konnte.
    Ohne Reservierung hätten wir ca. 2-3 Stunden warten müssen!



    Wir dösten auf der Rückfahrt und nach 2 Stunden waren wir wieder an der Shinjuku Station in Tokio. Kurze Verabschiedung und dann buchten meine Kids noch ihre Weiterreise nach Hiroshima, welche sie 3 Stunden später antreten wollten. Anschließend gingen wir was essen und holten ihr Gepäck aus dem Hotel. Dann, schon wieder in Eile, schnell mit dem Taxi zurück zum Bahnhof...
    Ich ging mir 2 Dosen Asahi Bier kaufen und bin noch mit der Dose in der Hand, auf meinem Bett eingeschlafen.


    Ein japanisches Sprichwort sagt:
    Wer einmal auf den Fuji steigt, ist weise! Wer zweimal auf den Fuji steigt, ist ein Narr!


    Well,

    ...ein Narr wäre ich gewesen, wenn ich mir dieses einmalige Erlebniss, mit meinen Kinder auf den Fujiyama zu steigen, hätte entgehen lassen! ;)


    Have fun, folks!

  • Ganz großen Dank für das Einstellen deiner Erfahrungen beim Besteigen dieses mystischen Berges!


    Ich empfinde es als ausgesprochen angenehm und lehrreich, wenn hier auch mal abseits des üblichen BC-, Wander- und Trekking-Krams Berichte von eher nicht so häufig besuchten Gegenden und Kulturen gepostet werden!


    Die sehr persönliche Sichtweise dieser Tour macht den Bericht noch schöner!


    Gruß Guido

    "Das schönste Geschenk, das die Götter den Menschen verliehen, ist die Freundschaft. Mögen manche auch den Reichtum, die Macht, die Ehre oder die Gesundheit preisen, ich ziehe Freundschaft und Weisheit allen anderen Gütern vor."

    Marcus Tullius Cicero (106 v. Chr. - 43 v. Chr.)



  • @ol'greenhorn
    Toller Bericht!
    Wenn du ein (en)Buch/Reiseführer schreiben würdest, ich wäre dein Leser!
    Euphorie, Leidenschaft, Abenteuer, Schmerz und Leid,von jedem etwas!
    DANKE :thumbup:

  • Wenn Du jetzt ein drittes Mal den Berg besteigst, was wärst Du dann? Ein weiser Narr 8o


    Danke schön fürs mitnehmen mit vielen Farben :) Ich fand es spannend zu sehen, wie viele Menschen diesen Berg zur gleichen Zeit besteigen und dann zusammen den Sonnenaufgang erleben.


    Ich überleg, ob ich nicht Wasserverkäufer dort werde :D

  • Ich überleg, ob ich nicht Wasserverkäufer dort werde :D

    Konfuzius hat mir gerade geflüstert, für ne eiskalte 0,33 er Cola kriegst du 12 € :D !
    Wassel schleppe is viel zu schwel und halte Albeit!
    Cola is viel leichtel und du wilst schnellel leich!