Neandertool: Multifunktionswerkzeug für Lederbearbeitung

  • Ich möchte Euch hier einmal mein Multifunktions-Neandertool vorstellen:


    Eine kombinierte Kantenrunder-Rillenzieher-Aufbewahrungs-Falzbein-Ahle! 8o



    Als Material habe ich einfach einen im Revier gefundenen Abwurf-Spieß vom Damhirsch genommen, also Geweih eines jungen Hirsches, welches noch nicht vereckt, also ähnlich einem Horn recht gerade ohne Verwinkelungen und "Nebenarme" ist.



    Vorteile des Ausgangsmaterials:



    - man hat schon automatisch die richtige Form
    - die Rose (dicke Geweihbasis) gibt angerundet und geshliffen einen hervorragenden Griff ab
    - durch die geringe Größe hat man kein Problem mit Mark im Innern (es handelt sich quasi nahezu um Vollmaterial - normalerweise ist der Kern des Geweihes, insbesondere beim Damhirsch, recht porös, Ren- oder Elch ist bspw. weniger porös)
    - es lässt sich wie harter Kunststoff oder Hartholz bearbeiten, also bohren, schleifen, sogar schnitzen
    - es nimmt poliert eine sehr schöne Glätte an
    - es ist stabiler und dauerhafter als Holz



    Vorgehensweise:



    Zunächst sägt man die Spitze ab (diese hebt man natürlich für andere Basteleien auf). Dort wird nun so gerade wie möglich ein Loch hineingebohrt (HSS-Bohrer), in dem Durchmesser, der für die jeweiligen Ahlen notwendig ist (so eng wie möglich - es soll nicht klappern oder sich verdrehen/verbiegen später). Im rechten Winkel dazu wird etwa 1cm unterhalb der Sägekante noch ein Querloch gebohrt, hier kann man nachher mithilfe eines zugefeilten Geweihriegels das entstandene Ahlenheft per Pressspannung sichern. Alternativ kann man auch kleine Keile von oben neben die Ahle treiben oder ein Gewinde einschneiden (Gewinde einkleben ginge auch). Die 1. Variante geht schneller, ist jedoch weniger stabil. Das Querloch sollte natürlich das senkrechte Loch zu etwa 1/4-1/3 streifen. Damit haben wir schonmal das Ahlenheft fertig.


    Nun bohren wir mit größer werdenden Bohrern senkrecht von der Unterseite (also bei der Verdickung, der "Rose") ein ordentliches Loch hinein, in der Tiefe, die für unsere verschd. Ahlen notwendig ist, zzgl. etwas Luft für den Deckel. Natürlich auch so breit wie möglich, besser sogar mit einem Forstnerbohrer. Nun haben wir eine Aufbewahrungsbox für Ahlen und ggfs. Zwirn oder ähnliches. Mit einem zugefeilten Korken oder Holzstück wird dieses Loch verschlossen (der Korken stört bei der Arbeit nachher nicht).




    Dann kann man noch verschd. Rundungen hinenfeilen, zum Abrunden der Lederkanten. Ich habe eine in der Seite und eine kleinere oben neben dem Korken. Schön glatt polieren ist wichtig, dann funzt das besser als mit Plastik- oder Holzkantenrundern!




    Einen Rillenzieher haben wir automatisch an der gesägten Kante (ähnlich der Spitze eines Falzbeines) - er drückt die Rillen natürlich nur rein, finde ich aber eh besser als sie herauszuschneiden. Dauerhafter bei Nässe etc. ist natürlich das Schneiden. Dafür kann man sich hier aber sogar eine Punzierform hineinarbeiten (z.B. eine Dreiecksform).



    Mit den glatten Seiten des Werkzeuges kann man hervorragend (auch wie mit einem Falzbein) Kanten abschrägen, Formen hervorheben, etc.


    Hinweis: Abwurfstangen sollten natürlich nur mit der Genehmigung des Jagdausübungsberechtigten gesammelt werden.


    Viel Spaß beim Nachbauen und bei der anschließenden Lederbearbeitung! :thumbsup:

  • Sehr schönes Werkzeug! Wie ist es in der Praxis im Vergleich zu den herkömmlichen Werkzeugen. Sind die Ergebnisse genau so gut?
    Und noch eine Frage, was hast du als Ahle sprich Dorn verwendet?

  • Hallo Pero,


    in der Praxis schlägt es sich soweit gut, greift sich ja super und liegt angenehm in der Hand. Allerdings nehme ich es nicht für total gewalttätige Aktionen her, da ich dann doch ein wenig Sorge ob der Stabilität hätte - aufgrund meiner Vorsicht kann ich nicht sagen, ob diese notwendig ist. 8o
    Die Rillen zum Kantenglätten sollte man einigermaßen glatt polieren, aber dann tun sie ihren Job recht gut. Mir gefällt auch dieses alles in der Hand haben, also nicht ständig zw. den Werkzeugen hin- und herwechseln.
    Ich würde nächstes Mal eine andere Befestigung für die Ahle machen, da fehlt mir aber noch das optimale Patent (soll ja mit einfachen Mitteln herzustellen sein - vielleicht mit zwei Keilen von oben?). Die Nadeln/Ahlen sind ganz normale aus dem Versandhandel, die mit dem geriffelten Ende für guten Halt in Ahlenheften mit Verschraubung. Ich habe die in krumm und gerade, sowie in dreieckig. Mir fehlt noch ne Lösung für dünnere Nadeln, um damit auch normale Nahten ausführen zu können. Vielleicht wäre dafür ein zweites Loch sinnvoll.