Multiresistente Keime in Gewässern

  • Oha <X
    Wundert tut es mich aber nicht wirklich, wenn ich dran denke was bei unseren doch schon Recht guten Kläranlagen so an Medikamenten, Hormonen und auch Antibiotika hinten rauskommt was man noch nicht einmal genau weiss war es doch auch eher eine Frage der Zeit bis solche keine entstehen.


    Doof nur wenn man Wasser aus Gewässern holen will.
    Könnte abkochen da noch helfen?

  • Nun, multiresistente Keime (MRSA, ESBL, VRE) werden auf unterschiedlichen Wegen verbreitet. Am ehesten vermutlich direkt von Mensch zu Mensch, über verschiedene Tiere bzw. deren Kot usw. Immerhin tragen geschätzte 30 % der Menschen MRSA auf der Haut und den oberen Luftwegen. Ausserdem findet man sie im Erdreich.


    Abkochen kann sicher helfen, nutzt aber nichts, wenn ich die Keime beispielsweise in der Nase habe.


    Das potenteste Mittel zur Prophylaxe ist die Händehygiene.

  • direkt von Mensch zu Mensch

    Das war eigtl. auch immer mein Stand, jedoch kenne ich mittlerweile Fälle, bei denen bspw. ein Partner aus einer Beziehung seit langem MRSA-Träger ist und der andere Partner nicht. Ich gehe daher davon aus, dass die Fitness des Individuums eine große Rolle spielt - wenn das Immunsystem die MRSA stoppen kann, können die noch so resistent gegen Methicillin sein... Soweit ich weiß hat knapp die Hälfte der Menschen Staphylococcus aureus standardmäßig auf der Haut und u.U. an den Atemwegen, die methicillinresistente Variante (MRSA = Methicillin-resistente Staphylococcus aureus, mittlerweile aber auch als multiresistent interpretiert) aber deutlich weniger.

  • Wenn keine Eintrittspforte vorhanden ist, besteht keine Gefahr. Und Kontamination bzw. Kolonisation ist nicht gleich Infektion. Wir haben ja auch noch die Infektabwehr. Bei immunschwachen Menschen wirds natürlich schneller gefährlich. Mein Wissensstand ist, dass wie oben erwähnt 30 % MRSA-Träger sein sollen. Andere Quellen meinen 10 %, was aber auch noch beachtlich wäre.


    Aber eben, mir persönlich machen die anderen multiresistenten Keime wie die ESBL's oder Clostridium difficile noch mehr Sorgen.

  • Ich war nach einem Unfall vor einigen Jahren 6 Monate in einem Krankenhaus wegen MRSA isoliert. Damals hieß es, ein gesunder Körper kann MRSA in den Atemwegen innerhalb 2 Stunden töten, auf unverletzter Haut ist Staphylococcus aureus harmlos. Wenn keine Lebensgefahr besteht wird MRSA meines Wissens nach nicht mit Antibiotika behandelt, damit der Keim nicht auch noch gegen die neuen Antibiotika resistent wird.


    Nun zum Thema Multiresistente Keime in Gewässern, abkochen oder ein Wasserfilter der Bakterien ausfiltern kann hilft. Wenn ihr gesund seid macht euch keine Sorgen, nur bei stark geschwächten Menschen wird Staphylococcus aureus gefährlich. Ihr hattet vermutlich alle schon mal eine Schnittwunde aus der wässriges, orangerötliches Wundwasser austrat? Das ist Staphylococcus aureus, also recht harmlos, ein Spritzer Desinfektionsmittel drauf und gut. Die Gefahr besteht hauptsächlich darin, dass so ein Keim irgendwann zu einem tödlichen Bakterium mutieren könnte, dann rottet er schnell mal ein paar Millionen Menschen aus und wir können ihn nicht mit Antibiotika stoppen.

  • MRSA sind keine Multiresistenten Keime, sondern Methicillin Resistente Keime. Genau genommen die gewöhnlichen Staph's, also Hautkeime, die uns als Biofilm schützen aber auch Mittelohrinfektionen verursachen können und den typischen gelben Eiter erzeugen.
    Das bedeutet ersteinmal nicht, dass die Keime nicht auf andere AB ansprechen, es ist allerdings schwer abzuschätzen, welche AB genutzt werden können, da jedes AB einen anderen Wirkmechanismus hat.
    Deshalb sind Antibiotika nicht gleich Antibiotika und das Problem der MRSA ist nicht Viehzucht und Co. sondern der falsche Einsatz des Medikaments v.a. in Staaten, in denen AB Rezeptfrei verfügbar sind und bei jedem Schnupfen selbst gekauft werden und nach 3 Tagen abgesetzt werden.
    Gäbe es keine AB, und wir hätten ein anderes Medikament, dann wären die Keime gegen dieses immun geworden. Das sind evolutorische Mechanismen, die ganz normal sind und nicht zur Panik taugen.
    Es wird vermutlich bald neue Antibiotikaklassen gegen MRSA geben. Allerdings sind Antibiotika für Firmen finanziell recht uninteressant.
    MRSA sind nicht virulenter oder toxischer als nicht MRSA. Bei Operationen oder wie oben von Schnake bemerkt bei Immunsuppression ist das rech blöd.


    Was immer vergessen wird bei der Diskussion über Antibiotika und was mich am AB-Bashing immer etwas belustigt:


    1. MRSA sind nicht gefährlicher, sondern können nicht mit den Standard-AB behandelt werden.


    2. Das bedeutet, dass man an den Keimen genau so verreckt, wie die Altvorderen, die noch kein AB hatten. Sprich: Man stirbt eben an Infektionen, an denen man ohne AB sowieso gestorben wäre.


    Es war von Anfang an klar, dass Antibiotika bei der kurzen Generationszeit nur kurze Verschnaufpausen im Wettlauf zwischen uns und den Keimen bietet. Bedenkt man das, ist es schon ein Wunder, dass die Medis so lange geholfen haben.

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    leicht sarkastisch im Unterton, dabei völlig spaßbefreit
    Ich liebe Fachfragen, Smalltalk nur f2f ;)

  • @Joe


    Ich bin etwas anderer Meinung, da zwischenzeitlich tatsächlich multiresistente Staph. aureus am Markt sind (und Methicillin eh nicht mehr gehandelt wird).


    Ausserdem wird zwischen
    im Krankenhaus erworbenen,
    ambulant erworbenen (community acquired) und nutztierassoziierten (livestock assiciated) MRSA unterschieden.


    Diese Unterscheidung scheint mir im Hinblick auf die Prophylaxe wichtig.
    Die Diskussion hingegen, welchen Anteil am Problem die Landwirtschaft einerseits und die Weisskittelfraktion andererseits hat, halte ich für müssig. Alle sind gefordert.
    Und ich kann euch versichern, dass zumindest in unserer und den mir bekannten Kliniken enorme Anstrengungen unternommen und viele Gelder eingesetzt werden, um das Problem MRSA einzudämmen.


    Was allerdings stimmt: Die Entwicklung neuer AB ist durch die restriktivere Verschreibungspraxis und den strenger reglementierten Einsatz in der Viehzucht für die Pharma wenig interessant. Offensichtlich wird durch die Pharma selbst an lediglich zwei Präparaten geforscht. Schliesslich können sie ja nicht dazu gezwungen werden.

  • das Problem der MRSA ist nicht Viehzucht und Co. sondern der falsche Einsatz des Medikaments v.a. in Staaten, in denen AB Rezeptfrei verfügbar sind und bei jedem Schnupfen selbst gekauft werden und nach 3 Tagen abgesetzt werden.

    Das Hauptproblem ist, dass die Erstattung der Krankenkassen im Wesentlichen über den Preis läuft. Qualität und Umweltschutz spielen keine Rolle. Demnach wird immer mehr in Indien und China produziert um Konkurrenzfähig bleiben zu können. Nur sind die Umweltstandards dort eben so niedrig, dass Antibiotika (wie auch andere Arzneimittel) in relevanten Mengen in Abwässer/Oberflächenwasser landen. X(

  • Kleine Aktualisierung zum Thema:
    http://www.tagesschau.de/inland/keime-103.html
    https://www.ndr.de/nachrichten…-Gewaessern,keime304.html



    Ich bin gespannt, inwieweit die Wege der Ab nachgewiesen werden und welche Schlussfolgerungen daraus erfolgen. Es sind ja u.a. Resistenzgene gegen Colistin nachgewiesen worden. Dies ist nicht so verwunderlich, wie mancher Kommentator meint, da es sich um ein uraltes Antibiotikum handelt. Allerdings ist es tatsächlich auch noch häufig anzutreffen in der Tiermast. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, wo Colistin quasi standardmäßig übers Futter eindosiert wurde... Meist als Einstallprophylaxe gegen E. Coli. Sowas ist natürlich kompletter Blödsinn und wird so seit langem nicht mehr praktiziert, höchstens mal bei einzelnen Gruppen als Metaphylaxe bei akutem Krankheitsgeschehen. Wobei Coliinfektionen meist eine klassische Faktorengeschichte aus mangelnder Hygiene, schlechtem Stallklima, suboptimalem/nicht angepasstem Futter, etc. sind.



    Ich kann bei mir zwar die Schweine recht gezielt antibiotisch über das Futter behandeln, da ich eine entspr. Medi-Anlage habe, die jeden einzelnen Futtertrog direkt ansteuern kann. Allerdings werde ich das Ding wohl demnächst abbauen, da es seit Jahren nicht mehr zum Einsatz kam und daher mittlerweile eher eine Keimschleuder ist... Denn die Entwicklung in der Tierhaltung ist schon viel weiter, als es die ach so sachkundigen Kommentare unter manchem Artikel vermuten lassen. Colistin hab ich vor 10 Jahren oder so das letzte Mal eingesetzt, vielleicht sogar noch länger her, keine Ahnung. Aber: Wenn ein Resistenzgen erstmal da ist, wird man es schwerlich wieder los...



    Daher habe ich persönlich auch kein Verständnis für AB-Standardgaben - das setzt aber eben vernünftiges Management voraus. Und ein entsprechendes Interesse aller Beteiligten, so können Gelenksentzündugnen bspw. meist auch sehr gut mit schmerzstillenden Mitteln und Entzündungshemmern behandelt werden (der Tierarzt geht also nicht zwingend pleite, wenn man keine AB mehr bei ihm kauft). Und auch der Marktpartner, wie etwa der Ferkelhändler, darf nicht mit Allgemeinplätzen wie "Dann haust Du da halt bisschen Colistin die ersten Tage ins Futter..." kommen - aber da zivilisiert ja Gott sei Dank die Antibiotikadatenbank sehr gut (übrigens mehr, als ich selbst gedacht hätte...). Letztendlich ist da also auch jeder Betriebsleiter, jeder Tierarzt, jeder Berater, jeder Vermarkter gefordert - und dies ist nur der landwirtschaftliche Bereich... Aber der Einfluss des Betriebsleiters ist def. nicht zu verachten - wenn bei mir ein Ferkelhändler mit einem solchen Spruch wie oben kommt, fliegt der raus. Und ich hoffe, bei anderen Berufskollegen auch.



    Es bleibt spannend und es sind weiterhin alle Seiten aufgefordert, ohne Scheuklappen und Berührungsängste - und erst recht ohne Vorbehalte und vorgefertigte Internetbilligmeinungen - an Lösungen zu arbeiten...