Ein kleiner Einstieg in das Reich der Pflanzen

  • Als Bushcrafter sind wir häufig draußen unterwegs und dabei umgeben von allerlei „Grünzeugs“. Einige Pflanzen wurden uns als kleines Kind näher gebracht: Was ein Löwenzahn oder eine Brennnessel ist wird jedem geläufig sein. Andere Pflanzen sind uns völlig unbekannt oder wir sehen sie täglich am Straßenrand ohne deren Namen zu kennen.
    Vielleicht können uns als Bushcrafter die Namen auch egal sein, solange eine Pflanze für unser Hobby keine Relevanz hat. Für alle die ihre Kenntnisse erweitern und etwas mehr in das Reich der Pflanzen eintauchen wollen möchte ich hier eine kleine Anleitung geben, oder zumindest den Versuch wagen in ein so umfangreiches Thema wie die Botanik zumindest in Ansätzen einen kleinen Einstieg zu zeigen:



    Teil I: Pflanzenbestimmung


    Wie schon gesagt wissen wir alle was ein Löwenzahn und eine Brennnessel ist und das meist ohne dass wir uns dabei Gedanken über spezifische botanische Merkmale machen müssen. Wir beurteilen die Pflanze nach dem äußeren Erscheinungsbild. Das gleiche habe ich als Jugendlicher auch mit Bildbänden gemacht (und mache das manchmal auch noch heute so): man sieht eine gelb blühende Pflanze, schlägt im Pflanzenführer das Kapitel „gelb blühende Pflanzen“ auf und gleicht nach dem Erscheinungsbild ab welche Pflanze das sein könnte. Ein Nachteil dieser Herangehensweise ist, dass klassische Bildbände nur einen Bruchteil der in Deutschland vorkommenden Pflanzenarten enthält. Ein anderer Nachteil ist, dass man sich beim Abgleich mit Bildern auf das offensichtliche Konzentriert das ist aber aus botanischer Sicht nicht unbedingt das was zur Bestimmung relevant ist.
    Einen ganz anderen Weg zur Bestimmung beschreiben Bücher, die mit einem Bestimmungsschlüssel arbeiten. Hier werden spezifische Merkmale abgefragt und nach und nach über ein Aus- bzw. Einschlussverfahren ganze Gruppen von Pflanzen ausgeschlossen. Man grenzt die Suche so systematisch immer weiter ein, bis man die korrekte Art bestimmt hat.
    Ganze Pflanzengruppen, die so ausgeschlossen werden können sind z.B. Moose und Farne. Wenn eine Pflanze an Land wurzelt können alle Wasserpflanzen ausgeschlossen werden, wenn die Pflanze keine verholzten Teile aufweist können alle Bäume und Sträucher ausgeschlossen werden usw..
    Nun unterschieden sich Bäume, Wasserpflanzen und Moose bereits in ihrem grundlegenden Aufbau offensichtlich. Weitere Merkmale, die jeder ohne botanische Kenntnisse auch bei einem flüchtigen Blick erfassen kann sind z.B. Größe der Pflanze oder Farbe der Blüten. Und dann gibt es eben noch die Merkmale, die einen genaueren Blick erfordern aber dafür eine genaue Zuordnung ermöglichen wie z.B.:

    • Blütenform und Aufbau der Blüte

      • Anzahl der Blütenblätter (Kronblätter, Kelchblätter, Staubblätter)
      • Symmetrie der Blüte: Spiegelsymmetrisch (=Zygomorph), Radiärsymmetrisch
      • Fruchtknoten: Oberständisch, Unterständisch


    • Aufbau von Blüte bzw. Fruchtansatz: Dolde, Rispe etc.
    • Art und Form der Früchte
    • Blattstellung: Wechselständig, Gegenständig, Grundständig
    • Sitz der Blätter am Stängel: Gestielt, direkt am Stängel sitzend
    • Blattform: Oval, herzförmig, lanzettlich, gefiedert
    • Blattrand: Glatt, gesägt, gezahnt
    • Blattnerven: parallel, verzweigt
    • „Stängel“ (= Sprossachse): Kantig, hohl, Querschnitt viereckig etc.
    • Vorhandensein von Milchsaft
    • Vorhandensein von Nebenblättern
    • Haare an Blättern oder Sprossachse


    Diese Auflistung ist nicht vollständig. Alle Merkmale hier aufzuführen und im Detail zu beschreiben würde den Rahmen sprengen und ist auch gar nicht nötig, weil Bestimmungsbücher (s. Buchtipps) im Regelfall ein einleitendes Kapitel enthalten, die genau diese Merkmale beschreiben.


    Ein klassisches Beispiel für eine falsche Zuordnung nach Erscheinungsbild ist die Verwechslung von Bärlauch mit den Maiglöckchen oder der Herbstzeitlosen. Das Erscheinungsbild der Blätter mag noch recht ähnlich sein. Ein botanisch relevantes Unterscheidungsmerkmal ist hier aber der Ursprung der Blätter: Während beim Bärlauch jedes Blatt an einem „eigenen Stiel“ aus dem Boden entspringt sind die Blätter bei Maiglöckchen und Herbstzeitlosen ineinander „verschachtelt“, so dass ein Blatt am Grund das jeweils weiter innen liegende umfasst.
    Wenn man dieses Merkmal kennt und darauf achtet scheint es schwer verständlich, wieso man diese Arten verwechseln kann, obwohl es ein solch klares Unterscheidungsmerkmal gibt.



    Von links nach rechts: Bärlauch, Maiglöckchen, Herbstzeitlose


    Das Beispiel macht außerdem deutlich, dass Pflanzen am besten vor dem Pflücken bestimmt werden, weil einige Merkmale nach dem Pflücken nicht mehr erkennbar sind.


    Nicht verschweigen möchte ich an dieser Stelle, dass auch Bestimmungsschlüssel Ihre Grenzen haben. So ist z.B. die Wunschvorstellung, dass man für die Bestimmung einer Pflanze am besten ein Exemplar erwischt, das sowohl Blüten als auch Früchte trägt in der Praxis je nach Jahreszeit gar nicht realisierbar.
    Dennoch sind Bestimmungsschlüssel das sicherste Werkzeug zur Bestimmung einer Pflanze weil sie klar beschreiben, welches Merkmal für eine Unterscheidung relevant ist und welches nicht. Es macht somit Sinn sich ein wenig der botanischen Systematik auseinander zu setzen.


    Wie eingangs erwähnt erkennen wir Löwenzahn und Brennnessel an Ihrer Gestalt. Nachdem wir uns nun etwas mit den botanischen Merkmalen vertraut gemacht haben hier nun ein Bespiel, wie man diese Pflanze anhand einiger botanischer Merkmale beschreiben könnte:


    Beispiel Brennnessel:
    - Blüten grünlich
    - Blätter gesägtem Rand
    - Blätter gegenständig angeordnet
    - Nebenblätter vorhanden
    - Brennhaare vorhanden


    Beispiel Löwenzahn:
    - Blätter in Grundständiger Rosette angeordnet
    - blattloser hohler Blütenstiel
    - Austretender Milchsaft
    - Blütenstand bestehend aus einzelnen Zungenblüten*


    *Bei der Familie der „Korbblütler“ gibt es die Besonderheit, dass der Teil der eigentlich als Blüte wahrgenommen tatsächlich ein ganzer „Korb voller Blüten“ ist. Bei einem Gänseblümchen ist z.B. jedes weiße „Blütenblatt“ tatsächlich eine eigenständige Lamellenblüte und jedes gelbe Pünktchen in der Mitte eine eigenständige „Röhrenblüte“. Entsprechend besteht die Löwenzahn „Blüte“ aus vielen einzelnen Lamellenblüten und aus jeder einzelnen Lamellenblüte geht später eine eigenständige Frucht, nämlich ein eigenständiger „Fallschirmsamen“ hervor.



    Teil II: Systematik der Pflanzen



    Ein Vorteil der o.g. Bestimmungsschlüssen ist, dass sie einer festgelegten Hierarchie folgen. Menschen denken gerne in „Schubladen“ und es haben sich schon viele Leute Gedanken gemacht wie diese Schubladen in der Botanik aussehen und wie sie heißen.
    Man muss kein Botaniker sein um fest zu stellen, dass die Blüte einer Kamille irgendwie einem Gänseblümchen ähnelt. Kein Wunder sie gehören beide zur gleiche „Familie“: den Korbblütlern. Mit etwas Erfahrung muss man bei der Pflanzenbestimmung gar nicht immer bei null anfangen sondern kann eine grobe Zuteilung zur Pflanzenfamilie machen wenn man die grundlegenden Merkmale einer Pflanzenfamilie verstanden hat.


    Eine sehr schöne Übersicht der wichtigsten Pflanzenfamilien gibt es gratis hier: http://kreativpinsel.de/assets/poster-familien1.pdf
    (Danke an Hagbart für diesen Tipp!)



    Unterhalb der Hierarchieebene der „Familie“ kommt die „Gattung“ und auf der untersten Stufe die „Art“. So gibt es z.B. innerhalb der Gattung der Hahnenfüße verschiedene Arten wie den scharfen Hahnenfuß, den kriechenden Hahnenfuß usw. Dem entsprechend „hangelt“ sich der Bestimmungsschlüssel an der Hierarchieebene entlang und fragt somit erst Merkmale ab, die typisch für eine Familie sind, bevor er zu Merkmalen von Gattung und Art weiter geht.
    Die Systematik benennt so zu sagen einzelnen „Schubladen“ und der Bestimmungsschlüssel leitet einen von der großen, in jeweils immer kleinere „Unterschubladen“.



    Teil III: Dokumentation – Das (digitale) Herbarium



    Die klassische Art der Dokumentation von bestimmten Pflanzen ist das Anlegen eines sogenannten „Herbariums“. Hierzu werden die Pflanzen gepresst, auf entsprechende Papierbögen geklebt und beschriftet (Pflanzenbezeichnung deutsch/ latein, Fundort, Fundzeitpunkt, etc.). Die einzelnen Bögen können dann zu einer Art Album zusammengebunden werden und man bekommt sein eigenes „Pflanzenlexikon“ mit einer ganz persönlichen Geschichte.
    Auch wenn das klassische Herbarium einfach einen gewissen traditionellen Charme hat, so gibt es dennoch einige Nachteile:


    - Es ist nötig die Pflanze aus ihrem Lebensraum zu entnehmen. Was gerade bei geschützten Pflanzen nicht sein sollte.
    - Es gibt eine bestimmte Limitierung bei der Größe der Pflanzen. Nicht alle Pflanzen passen praktischer Weise auf ein DIN A4 Blatt
    - Gleiches gilt für die Dicke, z.B. von Knollen. Eine Kartoffel trocknen und auf einen Papierbogen kleben ist vielleicht nicht so der Brüller.
    - Einige Pflanzen lassen sich nicht gut trocknen. Sei es weil sie zu dicke verholzte Teile haben, beim Trocknen die Farbe verändern oder z.B. die einzelnen Blütenblätter nach dem trocknen nicht mehr zusammenhalten und die Blüte zerfällt.


    Ich mag nicht beurteilen ob es für ambitionierte Botaniker eine Alternative ist. Aber für den Bushcrafter, der sich hier im Forum in einem digitalen medium bewegt bietet ein Forum eine schöne Möglichkeit ein „digitales Herbarium“ zu führen. Das können je nach eigenem Anspruch einzelne Posts hier im Bereich "Flora und Fauna" sein, oder analog mit Beschriftung gemäß klassischem Herbarium hier (Link folgt).
    Zum einen vermeidet man die Nachteile eines klassischen Herbariums (s.o.) zum anderen kann man mit entsprechend fotographischem Geschick und z.B. einem Makroobjektiv Details heraus arbeiten, die in einem klassischen Herbarium nicht sichtbar sind.


    Teil IV: Ausrüstung und Buchtipps:
    Eigentlich braucht es nicht viel an „Ausrüstung“. Mit einem guten Bestimmungsbuch kommt man schon recht weit.


    Eine gute empfehlung für den Einstieger ist Rita Lüders "Grundkurs Pflanzenbestimmung", das neben dem eigentlichen Bestimmungschlüssel gerade für den Einstieg Hilfreiche Erklärungen enthält. Etwas "professioneller" ist der "Schmeil-Fitschen" der weiniger erklärend ist, dafür aber deutlich umfangreicher was die Anzahl der enthaltenen Pflanzenarten angeht. Dadurch ist er auch etwas dreimal so dick.




    Wenn man als Einsteiger nicht eine x-beliebige Pflanze, die man gerade gefunden hat bestimmen will gibt es auch sehr schöne Übersichten in handlicher, laminierter Form mit denen man in bestimmten Bereichen gezielt auf die Suche nach häufigeren Pflanzen gehen kann.



    https://www.naturentdecken-shop.de/Bestimmungshilfen/


    Die Karten sind auch eine tolle Grundlage für eine „Pflanzen-Schatzsuche“ mit Kindern.
    Oder man orientiert sich erst einmal grob nach den Merkmalen einzelner Pflanzenfamilien.
    ( Link siehe oben).


    Klassiker unter den Bildbänden gibt es von Kosmos oder BLV (Die Exemplare auf dem Bild sind schon etwas betagt).



    Da viele Blüten sehr klein sind, zu klein um bestimmungsrelevante Merkmale erkennen zu können, macht eine Lupe (am besten 10 fache Vergrößerung) Sinn.
    Ein kleines Messerchen (der Rasierklinge) und Präpariernadeln können helfen wenn bestimmungsrelevante Merkmale herausgearbeitet werden müssen, sind aber recht selten nötig.
    Schreibzeug und eine Kamera bieten sich zur Dokumentation an.

  • @Grisumat ich hoffe du hast nichts dagegen, wenn hier auch Laien mitmachen.
    Ich finde diesen Faden ganz große Klasse, kann aber selbst aber nicht so 100%ige Bestimmungen liefern, bzw. frage mich halt oft selber:"was ist das jetzt genau?"
    Hab´s am Wochenende auf der Höhlen+Schluchtentour in der Eifel mal versucht und eineige Fotos gemacht. Dabei war vieles shr verdörrt und trocken oder einfach schon durch.
    Hier mal Bilder und wo ich es weiß auch der Namen:
    Hagebutte
    ???
    ???
    ???
    Futterklee
    ??? ( wir nennen es Pfeifenreinigergras )


    Also bitte gerne meine ??? auflösen, danke.
    Gruß"Seemann"

  • @Tipple
    Da hast du natürlich Recht. Wollte auch nicht hierhin verlagern, habe aber offensichtlich da ein kleines Mißverständniss gehabt, sorry.
    Ich möchte den Faden hier unter keinen Umständen torpedieren.
    Wenn also möglich und gewünscht in "Welche Pflanze ist das?" verschieben.
    "Seemann"

  • So hier ein neuer Versuch zu diesem Faden etwas beizutragen:
    Ich habe mal die Entwicklung einer Pflanze ( Kastanie ) im Frühling festgehalten in Bildern.
    Fortsetzung folgt....


    ( Der Baum steht an einem meiner täglichen Warteplätze, so das ich ihn immer fast zur selben Zeit sehe )


    Gruß"Seemann"

  • Nun mal die Fortsetzung wie oben in #5 angedroht!
    Fortsetzung:


    Es ist wie oben gesagt immer derselbe Ast / Blütenstand / Fruchtstand am gleichen Baum.
    Ich bin selbst erstaunt, wie es sich von Woche zu Woche ändert. ( Fortsetzung folgt )


    Gruß"Seemann"

  • Weiter geht´s:
    Fortsetzung es werden immer weniger (?warum?)
    Eventuell haben die Kinder dort welche runtergeworfen, oder wegen der Trockenheit, denn das Laub wird an einigen Stellen im Baum schon fahl.
    Bin gespannt , wie es nach den Ferien dort aussieht und ob am Ende eine übrig bleibt.


    Gruß"Seemann"

  • Neuester aktueller Stand nach sechs Wochen Sommerferien, wo ich nicht auf dem Warteplatz war:
    sind dicker geworden und, wie auch viele der Blätter, sind sie stellenweise bereits braun und vertrocknet.


    Gruß"Seemann"

  • Seemann:
    zu deinem Post mit den Fragezeichen:
    2: Schlehe/Schwarzdorn
    3: Galle an einer Rose/Wildrose
    4: Tramete, welche ist mir auf die schnelle nicht eingefallen

    „Ich finde, es sind die kleinen Dinge, alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten"
    (Mithrandir a.k.a Gandalf, "Der Hobbit")

  • So hier kommt nun , nach Sturm "Mortimer" die finale Fortsetzung meiner Kastanien-Doku:


    und heute dann lag alles unten:


    Damit könnte ich ab jetzt nur noch fallende Blätter zeigen!!


    Ich hoffe es hat euch gefallen diesen Kastanienzweig über´s Jahr mitzuverfolgen.


    Gruß"Seemann"