Feuer und Sturm

  • Leider hat es ja diesem Wochenende mit der Brex nicht geklappt, daher dachte ich mir, wenigstens eine Nacht rauszugehen. Seit Wochen habe ich mich darauf gefreut, da ich in letzter Zeit nicht so oft dazu gekommen bin. Auch wollte ich ein Bisschen was ausprobieren. Und so zog ich Samstagmittag los mit Basis-Gepäck für eine Nacht + Säge und Beil.



    Erste Erkenntnis des Tages - So schön mein selbst geflickelter Leicht-Rucksack auch sein mag, spätestens hier kommt er massiv an seine Grenzen. Ich hätte ihn höher und dafür weniger tief bauen sollen. So zieht einen das Gewicht doch sehr nach hinten unten.



    Mein Ziel war wieder der Spot mit der schönen Aussicht, 10 Minuten mit dem Auto und wahlweise eine Stunde bzw. 30 Minuten Fußmarsch.




    Ich entschied mich als Hinweg für die längere Tour, also immer ins Tal abwärts am Bach entlang, denn vor dem Aufstieg wollte ich noch den zweiten 1-Liter-Beutel mit Bachwasser füllen, schliesslich hatte ich ja meinen Sawyer Squeeze dabei (hierzu später mehr). Als dies erledigt war, machte ich mich an den Aufstieg.




    Thema Rucksack: Was für kurze geraden Strecken noch geht wird beim Anstieg zur echten Herausforderung ;(



    Und die zweite Erkenntnis des Tages - meine Kondition ist am Ar…!



    Nach einer guten halben Stunde war ich dann am Ziel, der Wildkamera wie immer ausweichend machte mich auf die Suche nach einem geeigneten Plätzchen, da sich die Stelle vom letzten Mal zwar für einen kurzen Overnighter sehr gut geeignet hatte, heute aber eher unpassend war.



    Also Rucksack loswerden und die Gegend erforschen. Bald hatte ich was Nettes gefunden, die Hängematte aufgebaut und konnte mich ans spiele machen.



    Zuerst wollte ich meine neue UL-Sitzgelegenheit testen. Dazu brauchte ich noch ein bisschen Bauholz, was hier oben in Eichen-/Buchenwäldchen nicht so leicht zu finden war. Entweder hingen die brauchbaren Äste noch am Baum oder waren schon so brüchig, dass ich ihnen mein Gewicht nicht mehr anvertrauen wollte.





    Doch dann fand ich noch eine alte umgestürzte Lärche, die mir ihre Äste zum Basteln spendete.



    Dritte Erkenntnis des Tages – Die Äste der Lärche sind immer, aber auch IMMER krumm ;(



    Und so behalf ich mir so gut es ging und knüpperte meine Sitzgelegenheit an einen Baum.




    Sagen wir mal so: besser schlecht gesessen, also gut gestanden. Mit Sitzkissen konnte man den Komfort noch deutlich erhöhen. Das liess ich aber irgendwann weg, da es bei dem aufkommenden Wind immer weg flog. Apropos Wind: Ich hatte mich vorsorglich bereits auf der windabgewandten Seite des Hügelrückens in Richtung Osten niedergelassen, auch in der Hoffnung, am Morgen mit Sonne geweckt zu werden (leider gab es heute Morgen alles andere als Sonne :( Beim Holz holen war ich darüber auch immer wieder froh, wenigstens hier mal die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Dennoch drückte die eine oder andere Windböe immer mal wieder zu mir rüber.



    Trotzdem begann ich, meine Feuerstelle einzurichten, so richtig mit Windschutz, den ich zum Tal hin eher als Sichtschutz gedacht hatte. Noch schnell ein altes Lärchenstämmchen gespalten um an das trockene Innenholz heran zu kommen, schön gleich drei Federstöcke geschnitzt (super duper einfach mit meinem neuen Mora Kansbol – 10 Punkte)




    und dann ran mit dem Feuerstahl. Trotz billiger China-Ware machte das Ding mit Hilfe meines Kansbol (auch hierfür 10 Punkte) ordentlich Funken. Nur die Federstöckchen machten nicht, was sie sollten, glimmten nur kurz auf und das war’s. Letztlich habe ich dann doch einen Streichholz dran gehalten ;( Da war das trockene Holz wohl doch noch zu feucht? Wer weiß.



    Nach ein paar Minuten brannte das Feuerchen sehr schön. Doch dann…



    Vierte Erkenntnis des Tages – Das Ding heisst Windschutz (eventuell noch Wärmereflektor) und nicht Sichtschutz, denn als solches hatte die Konstruktion bei mir eher gegenteiligen Effekt.





    Der Wind drückte (aus der falschen Richtung kommend) das Feuer auf die Stämmchen-Wand und nach viel Qualm fingen auch diese an zu glimmen und zu brennen. Ich versuchte, das Feuer etwas von der Konstruktion weg zu schieben, mit dem Effekt, dass die Stämmchen nur noch glühten und riesige Qualmwolken ins Tal zogen.




    Soviel zum Thema Sichtschutz :( Eigentlich ist es wohl nur der Karnevalszeit hier zu verdanken gewesen, dass nicht irgendein Förster/Jäger mir direkt die Ordnungshüter auf den Pelz geschickt hat. Ja, ich bekenn mich schuldig im Sinne der Anklage!



    Nach kurzer Zeit habe ich dann meine Konstruktion abgebaut, einen Kaffee und mein Abendessen gekocht und dann das Feuer ausgehen lassen. Ausser tränenden Augen und der Angst im Nacken konnte mir das Feuer dies Mal nicht viel geben.





    Als nun der erste Liter Leitungswasser fast alle war, holte ich den zweiten Beutel Bachwasser und meinen Squeeze heraus, um noch ein wenig Wasser für den abendlichen Tee zu filtern. Leider musste ich feststellen, dass der Filter sowas von dicht war. Auch mit viel Druck konnte ich ihm kein Tröpfchen entlocken.



    Fünfte Erkenntnis des Tages – teste alle Ausrüstungsgegenstände, auf die du dich verlassen können musst, vor der Tour.



    Und so blieb nur, das Bachwasser in der letzten Glut abzukochen und sich für Abend und Morgen einzuteilen.




    Da es auch immer stürmischer wurde beschloss ich, auf Nummer sicher zu gehen, schnappe mir meine beiden leeren Wasserbeutel, stieg noch einmal ins Tal ab und holte ausreichend Wasser zum Ablöschen der letzten Reste meines hart erkämpften Feuers (runter und wieder rauf, aber das Thema hatte wir ja schon ;(


    Hierbei bewährte sich auch meine zweite Neuanschaffung, eine Stirnlampe von Decathlon https://www.decathlon.de/p/akk…-168701?mc=8485461&c=GRAU mit vier Leuchtmodi und Rotlicht. Für 20 Euro eine sehr sinnvolle Anschaffung (meiner alten Lampe fehlte das Rotlicht und der per USB ladbare Akku), da ich mit dem Rotlicht den Weg sehr gut sehen und trotzdem auch noch die Umgebung „erkennen“ konnten.



    Sechste Erkenntnis des Tages – nie wieder ohne Rotlicht unterwegs sein.



    Mein Hängesitz machte sich dann auch als „Bettvorleger“ sehr gut, aber ich war froh, dass ich ihn auf einer Seite durch meinen Rucksack beschwert hatte, sonst wäre es eine kurze Freude geworden. Denn der Wind legte zur Nacht noch einmal kräftig zu und drückte mir das Tarp mächtig gegen die Hängematte. Immer wieder befürchtete ich, dass es mir die Baumarktschnur, die ich als First-Schnur verwendet habe, zerreissen würde. Das schafften die Windböen dann aber zum Glück nicht. Nur eine Tarpecke flatterte heute Morgen, so dass ich schon befürchtete, sie wäre ausgerissen. Aber nein, der Klügere hatte ich diesem Fall nachgegeben und der heisst in diesem Fall „Leinenspanner LineLochttps://www.extremtextil.de/leinenspanner-lineloc.html Keine ausgerissene Ecke, kein gebrochenes Plastik. Der kleine Kerl hat einfach etwas Schnur nachgelassen und mit einfachem Zug an der Abspannleine war alles wieder wie es sollte. Das machen die Dinger zum Glück aber nur bei zu hohem Zug, denn bisher hatte ich das noch nie beobachtet! Gut so!
    Nach einer sehr stürmischen Nacht packte ich dann am Morgen alles ein, beseitigte meine Spuren und begab mich auf den Heimweg. Dies Mal nahm ich die kürzere Strecke. Gut, dass ich das erst auf dem Rückweg gemacht habe. Denn durch den Sturm Sabine hat es auch bei uns viel Bruch in den Wäldern gegeben, welcher auch hier in den letzten Wochen aufgeräumt werden musste. Dadurch waren die Wege völlig von Kettenfahrzeugen zerwühlt, so dass ein normales laufen nicht möglich war. Durch Pfützen und Matsch und zwischendurch über Kettenspuren lief es sich wie auf Eiern. Ich war froh, das nicht am Vortag schon erlebt zu haben.



    Was bleibt von dieser Übernachtung im Wald? Verschiedene Erkenntnisse, die Suche nach Ersatzmaterial (z.B. Rucksack) und die Frage, warum ich mir das eigentlich immer wieder antue. Da dies keine neue Frage ist sollte ich vielleicht irgendwann mal eine Antwort finden.
    Zum einen ist es die Vorfreude. Seit Wochen habe ich mir diesen Termin versucht frei zu halten. Eigentlich sollte es ja die Brex sein, so wurde es nur eine Nacht im Hinterland. Dennoch, die Vorfreude treibt mich im Alltag voran. – Dann die Erinnerungen (Fotos, leider nur mit schlechtem Handy und zu wenig), denn in der Erinnerung beisst der Qualm nicht mehr in den Augen, tut der Rücken nicht mehr weh, die fehlende Kondition kann man verdrängen und die Vorstellung macht sich breit „Geil, was ich so alles mache!“
    Aber als ich da gestern Abend am Lagerfeuer saß wollte sich keine Romantik bei mir einstellen. Auch beim Ärger über den klemmenden Reissverschluss am Schlafsack fand ich es alles andere als Gemütlich in meiner Hängematte. Und das Abbauen im Nieselregen schaue ich mir lieber vom Sessel aus in einem dieser tollen Outdoor-Filme an.
    Wahrscheinlich bin ich auch eher der Typ, der am Abend vor seiner Blockhütte im Schaukelstuhl sitzt und wehmütig in die Landschaft schaut, als der Trapper, der Tagelang nur mit dem, was er am Leibe hat, durch die Wildnis streift. Ehrlich: nichts ist doch schöner als die heiße Dusche danach.
    Und trotzdem, nichts ist schöner als Vorfreude und schon heute Abend wird wieder das Kopfkino beginnen, was ich als Nächstes machen will, was ich wie verändern werde und wann sich mal wieder ein Zeitfenster öffnet um raus zu gehen, auch wenn ich mir auch beim nächsten Mal die Frage stellen werde: Warum machst du diesen Sch… überhaupt.



    Gruss
    Amon

  • Yeah....danke für's mitnehmen. Spieglein, Spieglein an der Wand, ich erkenne mich wieder, ist ja allerhand. Und immer wieder die Frage: Warum mach' ich diesen Sch...
    Ja, ganz genau. Weil halt eben die heiße Dusche danach so schön ist. Und...und...und...
    Draußen vor dem Fenster bläst der Sturm die letzten Witwenmacher, die Sturmtief Sabine noch getrotzt haben über den Haufen. Und grade wie ich so in der Hängematte liege überlege ich mir, wie ich bei diesem Lüftchen jetzt mein Lager aufbauen würde. Und dann lese ich deinen Beitrag. Chapeau! Alles richtig gemacht, denn du warst draußen...

  • Wirklich schöner Bericht!
    Richtig toll zu lesen :thumbup:
    Musste schmunzeln, selbstgebauter Leichtrucksack...mein Ikea-Hackpack erwies sich auch als grenzwertig, als ich 6,5 l Wasser (für drei Tage) zusätzlich zum Übernachtungskrempel mitschleppen musste. ;(
    Mach ich freiwillig auch nicht wieder!
    LG schwyzi

    One man's trash is another man's treasure!
    Tough enough to wear pink.
    Member of the Hateful fifteen

  • Zu geil! :thumbsup:
    Hab gerade voll abgelacht, bei der Vorstellung wie dein Sichtschutz Feuer fing und Qualmwolken ins Tal wabberten und Blicke auf sich zogen....


    Ich bezweifle, daß die Anwesenheit eines greenhorns zu anderen Ergebnissen geführt hätte, deshalb darf ich auch so scheinschadenfreudig schreiben!
    Eigentlich wollten wir ja zusammen losziehen, aber dringliche Renovierungsvorbereitungen hielten mich davon ab.
    Hab mich letzte Nacht mehrfach gefragt, ob Du schon weggeflogen wärst!


    Das mit dem Qualm und dem verstopften H2O Filter hätte mir und bestimmt so manch anderem auch passieren können!
    Du hast durchgehalten, hast nicht genervt abgebrochen und bist nun um einiges schlauer! So what?! Gut gemacht und beim nächsten Mal - dann anders!
    Hätte Dich echt gern begleitet!
    Keep on rocking, dude! :thumbup:

  • Klasse Bericht! :thumbsup:
    Wirklich sehr gut zu lesen und ja, teilweise erkennt man sich selbst etwas darin...
    Besonders bei der zweiten Erkenntnis des Tages. :whistling:


    Die gleiche Kopflampe hab ich mir für die Arbeit besorgt, Preis/Leistungsverhältnis Top.