Nähtutorial: Schnittkopie

  • Wie kopiere ich ein Kleidungsstück?


    Wenn man ein Kleidungsstück selbst herstellen möchte, muss man nicht zwangsläufig auf fertige Schnittmuster zurückgreifen. Denn diese haben ja auch Nachteile, etwa da sie modisch limitiert sind oder weil man doch gerne vorher sehen möchte, wie die Hose oder der Pulli etwa aussehen werden. Manchmal fehlen auch einfach Details, beim Rainier Suit von Green Pepper etwa hat die Hose keinen RV und so sieht es eher aus wie eine Jogginghose – da bekanntlich jeder, der in der Öffentlichkeit eine Jogginghose aus Baumwollfrottee trägt die Kontrolle über sein Leben verloren hat, muss man hier improvisieren (das heißt: einen vorhandenen Schnitt um kopierte Details ergänzen)…


    Da ich bereits mehrfach darauf angesprochen wurde: Hier stelle ich daher ein paar Methoden vor, die helfen sollen, von vorhandenen Kleidungsstücken die Schnitte zu übernehmen und in eigenen Projekten zu verarbeiten.


    HINWEIS: Ich bin näherischer Laie! Meine Erfahrungen beruhen auf Trial & Error sowie auf einer rustikalen Toleranz in Bezug auf Nähfehler. Lediglich ein kleiner Ledernähkursus viele Jahre zuvor steht bei mir unter "praktischer Ausbildung"… Wer also Verbesserungsvorschläge oder weitere Tipps hat: Feuer frei! Für Eure Projekte übernehme ich aber selbstredend keine Haftung, wenn Euer Glitzerloden-Jedi-Kapuzenpollunderoverall mit eingenähtem Orgonenergieassimilator nicht auf Anhieb schicki aussieht – das dann bitte nicht hier posten…


    Es gibt viele Wege, ein Schnittmuster von vorhandener Kleidung abzuzeichnen, also zu kopieren. Allen zu eigen ist die Notwendigkeit, das Kleidungsstück möglichst faltenfrei auf eine Matrize oder einen glatten festen Untergrund zu legen. Die einzelnen Nähte (außer Ziernähte…) werden nun auf einen Träger kopiert, der nachher ausgeschnitten das Schnittmuster ergibt.


    Folgende Hilfsmittel sind nun denkbar:


    • Packpapier: Bei der Post bekommt man Packpapier, auch Backpapier kommt nicht nur phonetisch nahe sondern ist eine Möglichkeit (mag ich persönlich nicht so gerne, auch geht meist nur eine Seite mit Bleistift, die andere benötigt einen Folienstifft). Den Schnitt kann man nun auf vielerlei Weise kopieren: Mit dem Bleistift umfahren direkt an der Nahtkante, bei Nähten, die nicht außen stehen kann man auch vorsichtig durchdrücken. Alternativ kann man auch ein Kopierrad aus dem Nähladen verwenden, ebenso eine Ahle oder ähnliches, womit ein Abdruck im drunterliegenden Papier erzeugt werden kann (es hilft hier, eine Decke o.ä. unterzulegen, um den Abdruck deutlicher werden zu lassen, diese Linie wird anschließend natürlich mit einem Stift nachgezeichnet). Für innenliegende Nähte besteht auch die Möglichkeit, an der Naht entlang in je nach Nahtform flexiblem Abstand mit einer Nadel durch den Stoff zu stechen und dann die Löcher später mit Bleistift zu verbinden.
    • Baufolie: Es gibt im Baumarkt durchsichtige Folie, tlw. auch klebend, oder auch halbdurchsichtige Müllbeutel, auch Fliegengitter oder ähnliches Material wären denkbar – dies legt man nun auf das ausgebreitete Kleidungsstück und Zieht an den Nähten mit einem Stift entlang. Mir persönlich gefällt die Papiermethode aber besser.
    • Bei beiden Methoden kann es helfen, den Stoff mit Stecknadeln oder Malerkrepp an Papier oder Folie zu fixieren – gerade bei komplizierteren Nähten…

    Ganz wichtig ist nun, bevor die Schnittmuster ausgeschnitten werden (ich hoffe, Ihr habt alle vorher bis hierhin gelesen…) die Nahtzugabe: Je nach Material, verwendeter Naht (Zickzack, linksrechts,…) und Materialstärke wird eine Nahtzugabe hinzugefügt. Als Laie nimmt man auch lieber etwas mehr, je dicker der Stoff umso mehr, je komplizierter/breiter die Naht umso mehr und am Saum nimmt man auch besser deutlich mehr. Als Richtwert würde ich bei dünner Baumwolle 2cm plus X nehmen, bei Loden/Leder/Jeans eher 4cm plus X. Bei manchen Nähten kann man am Altkleidungsstück auch die Nahtzugabe etwa nachvollziehen. Man hat 2 Möglichkeiten: Die Nahtzugabe als Teil des Schnittes mit einbauen oder aber beim Übertragen des Schnittes auf den Stoff die Nahtzugabe von Hand/per Lineal hinzufügen (Vorteil: besser an unterschiedliche Stoffe anpassbar). Grundsätzlich sollte man die gewählte Variante auf dem Schnitt kennzeichnen, gerne auch die etwa erforderliche Nahtzugabe eintragen. Ich bevorzuge Variante 2, denn dann hat man die Kreidemarkierung auf dem Stoff als Anhaltspunkt, wieviel Stoff jeweils genau "verschwinden muss", damit das Stück nachher wie gewollt passt.



    Wichtig: An jeder Naht bleibt die Nahtzugabe über die ganze Länge gleich stark! Und natürlich auch spiegelbildlich… Anschlusskanten werden im 90°-Winkel ausgeführt, damit dort später keine Hubbel bleiben. An der nun eingezeichneten Kante der Nahtzugabe wird der Schnitt ausgeschnitten. Es reichen normalerweise ein Schnitt pro Ärmel und Hosenbein, man muss nicht das komplette Kleidungsstück als Papier vorrätig halten - schaden tut es aber auch nicht…


    Für mein Lodenhosenprojekt Lodenhose, selbstgemacht habe ich mir die FJ-Hose "Barents Pro" vom Grundschnitt her kopiert und für meine Bedürfnisse modifiziert. Auch hier habe ich wieder die Nahtzugabe mit im Schnitt eingebaut, wenn man eine Orientierung haben möcht, wo die Nähte später exakt liegen müssen, sollte man den Schnitt besser ohne Nahtzugabe zeichnen und dann beim Ausschneiden eben bummelig 2cm hinzufügen.



    Bei der von mir genannten Hose benötigt man eigtl. nur 2 Schnitte, das macht die Sache recht einfach, für das andere Hosenbein werden sie einfach anders herum aufgelegt:



    Man sieht deutlich die Nahtmarkierungen, sowie diverse Texte und Hinweise (Größe, Ursprungshose, Nahtzugabe, Abnäher,...).


    Da die Knie ausgeformt sein sollten (Loden ist ja doch recht fest und unrutschig - daher überlege ich auch, die Knie noch mit dünnem, glattem Baumwollstoff auszufüttern - rutscht dann besser übers Knie bei intensiven Bewegungen) wurde an den Knien mehr Material eingeplant. An den Strichmarkierungen wird eingeschnitten (weiter als markiert) und dort der Stoff überlappt. Eigentlich knickt man den Stoff dort nur, ohne zu schneiden - da waren mir 3 Lagen Loden (also im Extrem 6mal, da gedoppelt) aber zu viel... Nach dem Vernähen wird die Überkante einfach abgeschnitten.



    Was nun noch fehlt sind die Taschen (innen und außen) und der Hosenbund. Dazu habe ich mir gar keine Schnitte gemacht, da das recht einfach ist: Man überlegt sich, wie groß die Taschen sein sollen (Orientierung bei passenden Hosen suchen) und näht es dementsprechend aus dünnem Baumwollstoff. Man sollte aber die Sichtbereiche großzügig mit dem Hosenstoff übernähen.


    Der Hosenbund ist grundsätzlich rel. einfach, aber zeitaufwändig. Er sollte zweilagig sein. Ich habe die Innenseite etwas länger nach unten gezogen, so hatte ich noch passendes Untermaterial beim Annähen der Gürtelschlaufen. Meine Vorgehensweise: Bund vorbereiten (zweilagig, ich habe außen Loden und innen Baumwolle, außen an außen vernähen,umklappen, vernähen). Dann Bund nach unten geklappt (also Hosenstoff mit der Außenseite an die Außenseite der Hose, auf Höhe der Naht - Futterstoff noch nicht mit vernähen) ansteppen, dann umklappen und vernähen innen und außen vernähen.


    Detailfotos findet man auch noch in dem o.g. Beitrag zur Lodenhose.


    Viel Spaß!