• Eine uralte Kulturtechnik: Man braucht lediglich ein paar Fasern und eine Handspindel. Letztere kann man auch leicht selber machen:

    Von rechts nach links: Eine Kopfspindel aus Baumarktstab mit 3D-gedrucktem Wirtel, eine mittelalterliche Holzspindel mit Tonwirtel, eine selbstgebaute High-End-Standspindel aus 5mm GFK-Rohr aus der Restekiste, einem 3D-gedruckten Wirtel, und nicht sichtbar: einem eingeklebten Metallstift - geht im Eierbecher ab wie eine eins, und Recyclingfans ein sehr leistungsfähiges Esstäbchen mit Konservendeckel als Fußspindel


    Stricken, Häkeln und Weben kannte ich. Wolle dafür kam aus dem Wollfachgeschäft. Und ja, irgendwie natürlich vom Schaf, oder im Falle von Baumwolle vom Baum. Aber was dazwischen war, war für mich bislang eine Black Box. Vor einiger Zeit hat mir eine Freundin ein paar Wollflocken und eine Handspindel in die Hand gedrückt, und mir kurz gezeigt, worauf es ankommt.


    Schon als ich die Spindel berührte, spürte ich ihre Magie. Im Prinzip ist eine Handspindel nichts anderes als ein Kreisel, mit dem Wollfasern zu einem festen Faden verdrillt werden. Die ersten paar Meter Faden waren noch etwas ungelenk, aber erstaunlich schnell entwickelte sich ein Rhythmus.


    Mein erstes Garn habe ich mit Rote-Bete-Schalen eingefärbt. Ich dachte, es wäre eine prima Filzwolle für einen neuen Tassenwärmer. Leider war die Wolle aber zu unregelmäßig dafür.


    Parallel dazu befasste ich mich mit der historischen Bedeutung: Schon vor 8000 Jahren haben die Menschen Fasern mit Handspindeln zu Fäden versponnen, und diese zu Garn verzwirnt. Über Jahrtausende haben Menschen regelmäßig und bei allen Gelegenheiten gesponnen. Im Mittelalter wurden erste Spinnräder entwickelt. Die industrielle Revolution bestand zu einem wesentlichen Teil darin, das Spinnen zu automatisieren. Das indische Spinnrad hat es als Symbol der Unabhängigkeitsbewegung auf die indische Flagge geschafft.


    Bei den Handspindeln unterscheidet man:

    • Fußspindeln
      • Der Wirtel ist im unteren Drittel der Spindel angebracht
    • Kopfspindeln
      • Der Wirtel ist im oberen Drittel angebracht
    • Standspindeln
      • Wie Fußspindeln, aber mit einer Spitze, die man auf eine Unterlage aufsetzen kann
      • Vorteil: Weil der gesponnene Faden nicht das Gewicht der Spindel tragen muss, können mit diesen Spindeln sehr dünne Fäden gesponnen werden

    Im Prinzip kann man die Wolle vom Schaf (oder Baum) weg spinnen. Allerdings dürfte das Ergebnis nicht immer tauglich sein. Ebenso wie Brennnesselfasern für Brennnesselschnur aufbereitet werden müssen, muss auch Wolle aufbereitet werden, d.h. gewaschen und anschließend gekämmt werden.


    Es gibt sehr unterschiedliche Wollsorten: fluffige, superweiche Merinofasern bis hin zu Draht-artigem Gotlandschaf, das sich schon beim angucken verfilzt.


    Vom Kammzug zum Faden, dreifädig verzwirnt, und zu einem neuen Tassenwärmer verhäkelt

    Nach dem Spinnen kommt die Verarbeitung: Meine erste Gotland-Wolle verhäkele ich gerade zu einem neuen Tassenwärmer. Mit der festen “Paketschnur” aus Wolle vom Coburger Fuchs möchte ich mit Brettchen eine Art Gurtband weben.

  • Hej, Baumkind keine Sorge. ein bisschen spinnen ist voll ok! :mrgreen:


    Meine Hiking Bekanntschaft hält eine kleine Herde Schafe. Sie verwertet ihre Wolle gerne selber. Da ist dann alles dabei.

    Waschen, kardieren, spinnen..etc.. Auf ihrem kleinen YT-Kanal kannst du sehen, es gibt noch andere Spinner! :)

    https://www.youtube.com/channe…KGHqXdnN03phhTLYWw/videos


    LG


    #unbezahltewerbung 8o

    “Computer games don't affect kids; I mean if Pac-Man affected us kids, we'd all be running around in darkened rooms, munching magic pills and listening to repetitive electronic music.”

  • Die Spinnerei geht weiter!



    Mein inzwischen fertig gestellter Tassenwärmer aus feinster Gotland-Wolle: Obwohl die Wolle schon beim Zuschauen verfilzt, läuft sie beim Filzen des fertigen Stücks erstaunlich wenig ein. Deshalb ist der Tassenwärmer ein wenig zu groß und ich hoffe, dass er mit zunehmendem Gebrauch noch etwas kleiner wird.


    Mit dem Spinnen sammelt sich Garn an, das nach weiterer Verwendung ruft. Eine interessante, sehr alte Technik ist das Brettchenweben: Im Prinzip wird auf diese Weise Gurtband hergestellt. Durch das Drehen der Brettchen werden jeweils vier Fäden miteinander verdrillt und mit dem Schußfaden fixiert.


    Aus Stöcken und Gurtband habe ich mir einen Webstuhl(?) mit Rückengurt improvisiert, wie er auch heute noch in vielen Teilen der Welt genutzt wird. Moderne Bändchenweber nutzen Spielkarten als Brettchen, aber das funktioniert nicht mit selbstgesponnener Wolle. Deshalb verwende ich sehr angenehm nach Leinöl duftene Holzbrettchen, die ich mit einer wunderschönen Kupfer-Nadel zusammenhalte, wenn ich gerade nicht webe:



    Aus Wolle vom Cobuger Fuchs (Schafrasse, beige) und Gotland-Schaf (grau) habe ein erstaunlich festes Gurtband gewebt:


  • Boah! 8| Da haste ja was Feines gemacht! Klasse! :thumbsup:

    So ein bis zwei Bänder würden sich doch geradezu Anbieten die Wolldecke zusammenzuhalten, oder?!



    lieben Gruß

    Michael

  • @kahel Joah, kann man machen. Das Band ist ca. 25 mm breit.


    Das Band ist recht kräftig, aber doch etwas elastisch. Einen großen Hund würde ich damit nicht an die Leine nehmen wollen :saint: . Um auf diese Weise ein Pferdehalfter zu machen, müßte die Wolle deutlich fester gesponnen werden.


    Für ein Pferdehalfter würde ich in der Mitte jedes Brettchens noch einen kräftigen Faden mitlaufen lassen. Dafür könnte man in der Mitte ein zusätzliches Loch in jedes Brettchen bohren.