Also in meinem "früher" gabs noch keine Smartphones geschweige denn Handys, keine Telefonflatrates, Internet war ein Fremdwort, die Programme im Fernseher waren überschaubar. Große Einkaufszentren, in denen man den ganzen Tag verbringen konnte, kannte man nur von "Geschichten" aus Großstädten. Bis Mitternacht einkaufen? Das wäre undenkbar gewesen. Anschnallpflicht? Einige Autos hatten noch gar keine Gurte hinten. Der Osten, welcher wenige Kilometer, die ich an einer Hand abzählen konnte, wurde Ausland genannt. Wo ich heut gerne abtauche in die Natur, waren früher Minen gelegt, Menschen mit scharfen Waffen verteidigten dieses Gebiet.
Reizüberflutung trat höchstens dann auf, wenn man die echten Kerzen am echten Tannenbaum zählte. Wenn man sich eine Tassee Kaffee bestellt hatte, bekam man auch genau diese und wurde nicht gefragt, welches Aroma man gerne hätte, aus welchem Land die Bohne sein darf, welche Größe man gerne hätte, ob die Milch fettarm sein darf etc.
Ich schweife ab....
Diese Aussagen beziehe ich jetzt auf mich und die Kinder, mit denen ich meine Kindheit verbracht hatte:
Früher, also in meinem früher, in meiner Kindheit in den 80ern, da waren wir alle jede Sekunde draußen. wir sind auf Bäume geklettert, haben Schnitzeljagden veranstaltet. Wir waren draußen, bis es dunkel wurde und uns drohte keine Gefahr. Ich persönlich denke schon, dass wir zu dieser Zeit viel naturverbundener waren, als unsere Kinder, die jetzt aufwachsen. Es gab teilweise halt nur drinne sein, oder rausgehen. Mit Barbies und/oder Playmobil spielen wurd auf die Dauer langweilig und das hob man sich für schlechtes Wetter auf. Das Fernsehprogramm war noch nicht so fesselnd und vielseitig und "damals" war es auch eher unüblich, dass jedem Familienmitglied ein TV-Gerät zur Verfügung stand. Unsere Abenteuer bestanden daraus, dass wir mit unseren Fahrädern lange Touren gemacht haben, bis tief in die Wälder und haben nach "Schätzen" gesucht. Ich behaupte aus der Erinnerung heraus auch mal, dass die Hausaufgaben damals noch nicht so intensiv und zeitaufwendig waren und dementsprechend landete der Ranzen in der Ecke und die Matschose wurde angezogen und ab in die Natur. Ich habe es damals geliebt auf die Dunkelheit zu warten und zu schauen, ob ich Fledermäuse entdecke.
Ob man der Natur dadurch auch verbundener war, mag man sehen wie man will. Nur weil man viel Zeit in ihr verbringt, kann sie einem auch fremd sein und einfach nur Mittel zum Zweck, dem Zeitvertreib.
Früher waren wir Kinder naturverbunden, heute sind unsere Kinder technikverbunden.
Vielleicht sind wir Menschen auch jetzt viel mehr naturverbundener, weil wir herrausgefunden haben, dass wir viele Gesetze erlassen können, die die Natur mehr schützen. Vielleicht sind wir auch jetzt erst viel naturverbundener, weil unsere Forscher herausgefunden haben, dass wir der Natur im Laufe der Zeit viel Schaden zugefügt haben, nicht nachaltig genug waren und es vielleicht in einigen Belangen zu spät ist?
Fragt einen Schamanen, einen Naturwissenschaftler, einen Politiker, einen Soziologen, einen autark lebenden Einsiedler, einen Greenpeace Aktivisten, einen world of warcfraft süchtigen, einen Wanderer, einen bushcrafter...jeder wird sich anders über diese Thematik äussern.
Um einen fundierten Vergleich zu erhalten, muss man eingrenzen, denke ich. Zeitraum, Wohnort, Alter, Beruf, sozialer Status, geselschaftlicher Wandel, technischer Fortschritt, äußere Reize etc...
Vielleicht waren wir vor Jahrzehnten noch naturverbundener, aber vielleicht auch nur deswegen, weil die wenigen Alternativen einfach....langweiliger waren? Und somit schließt sich der Kreis für mich, weil ich wieder da ansetze, wo ich anfangs eingestiegen bin: walkman vs MP3-Player, Fahrad vs Elektro-Scooter, Mensch-Ärgere-Dich-Nicht vs Playstation4, bei der Freundin an der Tür klingeln und um Verabredung bitten vs WhatsApp, Liebesbriefe vs Neuer Status auf Facebook: "Getrennt!", Ernie und Bert vs Bibi und Julian, Stichlinge mit dem Kescher fangen vs Pokemon Go, Der Mann des Hauses bringt mit einem Job genug Geld für die Familie heim vs 3 Jobs und trotzdem minus am Monatsende, usw..usw..usw
Ich kann es drehen und wenden, wie ich will, aber richtig beantworten kann ich es nicht.
LG Eichenblatt