Beiträge von Lederstrumpf

    Grundsätzlich sollte man vorsichtig sein, eine Kultur zu bewerten, wenn man nicht richtig mit ihr vertraut ist und das kann man letztlich nur, wenn man in ihr aufgewachsen ist.


    Das hat sogar der Dalai Lama mal in Richtung der westlichen Anhänger des Buddhismus gesagt, dass man den nur richtig verstehen könne wenn man auch in der Kultur aufgewachsen ist aus welcher der Buddhismus hervorgegangen ist, weil da eben wesentlich mehr dran hängt als nur die reine Religion an sich.


    In Bezug auf die nordamerikanischen Ureinwohner muss man genau hinschauen und sich von der Tendenz distanzieren diese entweder als primitiv anzusehen oder zu romantisieren. In jungen Jahren habe ich selbst zu letzterem geneigt und diese auf das Podest des "wilden Edlen" gestellt bis ich mich tiefer gehend mit ihnen befasst habe und auch persönlich mit einigen in Kontakt treten konnte.
    Ich habe eine kleine feine "Indianer-Bibliothek" und nahm auch mehrmals an den Pfingst-Camps der "Zwei-Adler" teil, eine Gruppe die vor vielen Jahren mal von Lakota-Schamanen im "Aufgießen" also der Durchführung einer Schwitzhütte unterrichtet worden ist und seitdem peinlich genau darauf achtet dass dieses Ritual genauso umgesetzt und nicht abgewandelt wird. Man will vor allem verhindern,dass im Laufe der Zeit alles mögliche wild miteinander vermischt wird und irgendwann einer mit dem Didgeridoo drin sitzt, während außen die tibetanischen Gebetsfahnen wehen.


    Man neigt dadurch tatsächlich, es genauer zu nehmen als die Ureinwohner selbst und das Ganze mit solch einem Ernst anzugehen dass man keinerlei Spaß dabei versteht wodurch so eine Schwitzhütte je nachdem wer sie macht auch recht steif daher kommen kann.
    Die Ureinwohner selbst sehen das wesentlich lockerer bzw. sind in der Lage zwischen Ernst bzw. Konzentration und Spaß bzw. Entspannung zu wechseln, was nach Aussage eines Schamanen wohl auch wichtig sein soll, damit die Zeremonie in sich ausgeglichen ist.
    Angeblich sollen, wenn sie unter sich sind, in den Pausen zwischen den Aufgüssen sogar derbe Witze unter der Gürtellinie gerissen werden und einen Moment später werden wiederum mit Hingabe heiligen Gesänge angestimmt die schon seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weiter gegeben werden.
    Und dieser Umgang gelingt ihnen wohl nur deshalb, weil sie damit aufgewachsen sind anstatt dass ihnen dies jemand beigebracht hat und man aufpassen muss ob man sich auch wirklich alles richtig gemerkt hat und ja nichts falsch gemacht wird.


    In der Mythologie existiert auch die Geschichte, wie der schlaue Coyote die Gänse zu einer Schwitzhütte eingeladen hat und den Dampf so heiß gemacht hat dass sie regelrecht durchgegart worden sind und am Ende der Zeremonie verzehrbereit waren. Und es wird am Ende der Geschichte süffisant darauf hingewiesen, der sich der Salbei in dem Zusammenhang auch ganz gut gemacht hätte.


    Mir ist zu Ohren getragen worden, dass sich die gleichen Schamanen, die nach Europa kommen um die Zeremonien hier gezielt zu lehren weil ihrer Ansicht nach hierzulande die spirituellen Wurzeln verloren gegangen sind und sie uns auf diese Weise helfen wollen zu den eigenen Wurzeln wieder zurück zu finden, sich zu Hause über die Europäer lustig machen weil sie das Ganze so bierernst nehmen und gemeinsam ablachen wie sie die Leute wieder mal so richtig "abgekocht" hätten.


    In Bezug zu den "indianischen Kulturen" im Allgemeinen und den Zeremonien im Speziellen sind leider viele Halb- und Unwahrheiten im Umlauf, woran sie selbst nicht ganz unschuldig sind. Als seinerzeit die Ethnologen durch den noch existierenden wilden Westen gezogen sind um die Ureinwohner zu studieren und "zu vermessen" haben sie den Wissenschaftlern zum Teil ganz gezielt Stuss erzählt weil es ihnen schlicht und ergreifend zu blöd gewesen ist zu ihrer Kultur und Lebensweise ausgefragt zu werden. Später ist ihnen dies dann auf die Füße gefallen nachdem sie über die Reservation und Missionierung so viel von ihrer Kultur verloren hatten, denn einerseits gab es nicht mehr viele die noch das alte Wissen hatten und andererseits konnten sie nicht mehr unterscheiden was von den Aufzeichnungen zutraf und was nicht so dass diese als Orientierung unbrauchbar sind.
    Mittlerweile scheinen sie aber ganz gut zurück gefunden zu haben und auf einem guten Weg zu sein und sie geben in ihren eigenen Reservatsschulen mit großem Selbstbewusstein und Stolz ihre Kultur an die jüngeren Generationen weiter.


    Wir können davon ausgehen, dass die Ureinwohner nicht aus Jux und Dollerei so lange Zeit all dies von Generation zu Generation weiter gegeben haben und sehr wohl alles eine gewachsenen Bedeutung hat wie z.B. bestimmte Pfeifen als ein Heiligtum zu behandeln, die nur zu bestimmten Zeremonien nachts ausgepackt werden und somit seit hunderten von Jahren nicht am Tageslicht gewesen sind oder der Glaube, dass die gesamte Welt lebendig ist und man unter bestimmten Umständen mit dieser Welt auch in Kontakt treten kann oder die Überzeugung dass der Jäger während der Jagd eine geistige Beziehung zu dem Wild aufbaut und sich das Tier am Ende vom ihm erlegen lässt und es nicht die alleinige Entscheidung des Jägers ist ob die Jagd erfolgreich verläuft.


    Wir neigen aus unserer modernen "aufgeklärten" zivilisatorischen Sichtweise schnell so etwas als Mythen und Märchen abzutun weil wir Naturvölker im Grunde als primitiv ansehen die eben an einem solchen Aberglauben festhalten weil sie es noch nicht besser Wissen und der wissenschaftliche Hintergrund fehlt.
    Aber wie ist dann z.B. zu erklären wie die Amazonas-Indianer aus einer Unzahl von Pflanzen gleich mehrere Kombinationen gefunden haben die nur exakt in dieser Zusammenstellung psychoaktiv werden, also eine berauschende Wirkung entfalten??
    Mit reinem Experimentieren könnte es Jahrhunderte dauern bis man alle möglichen Kombinationen durchprobiert hat.
    Sie selbst würden sagen, dass ein Schamane mal diese Pflanzen in einer Vision gefunden hat während der aufgeklärte Skeptiker sagt dass das nicht sein kann weil Träume nur einen Leerlauf des Gehirns im Schlaf darstellen und es sich dabei selbstverständlich nur um reinen Zufall handeln könnte.


    Ich habe ein Buch,das ein Indianer verfasst hat, der noch in einer Zeit aufgewachsen ist als sein Stamm noch keinen Kontakt mit Weißen hatte, später in die Missionsschule ging, studierte und schließlich seine Kindheitserinnerungen niederschrieb. Darin erzählt er wie ein paar Jäger in der Prärie von einem Blitz getroffen worden sind und einer seitdem jede Nacht von den "Donnerwesen" geträumt hätte die ihn jedes mal unterrichtet und informiert hätten. Tatsächlich wäre er jeden Morgen mit neuem Wissen daher gekommen was er eigentlich nicht hätte haben können und hätte damit immer wieder aufs Neue sogar den Pastor der Mission verblüfft. Von seinem Stamm selbst wurde er als Schamane verehrt. Bei uns hingegen würde er in der Psychiatrie landen weil er eindeutig unter Halluzinationen leidet.
    So unterschiedlich gehen verschiedene Kulturen mit den gleichen Phänomenen um.


    Fakt ist, dass sowohl die Ureinwohner von Nordamerika, als auch von Südamerika in der Lage waren sich ohne jegliche Wissenschaft oder dergleichen perfekt an ihre Umwelt anzupassen - um damit letztlich den Bogen zu der Kernthematik zu schlagen - und dennoch über alles notwendige Wissen sowie handwerkliche Fertigkeiten verfügten und das wiederum kann man meiner Ansicht nach nur richtig nachvollziehen, wenn man in dieser Kultur auch aufgewachsen ist - ganz gleich wie viele Bücher man darüber auch gelesen haben mag.