Knochennadeln - eigentlich kein Hexenwerk
Erste Funde von Knochennadeln entstammen dem frühen Jungpaläolithikum, jener Zeit, die unmittelbar vor der Mittelsteinzeit herrschte. Älteste Funde besaßen noch ein gespaltenes Ende, in welches ein Faden (Tierdarm, Sehne) geklemmt werden konnte. Das eigentliche Nadelöhr und somit der Beweis, dass diese Nadeln mitunter als Nähutensil benutzt wurden, kam in der Zeit der Solutréen - einer Kultur, die während der letzten Weichseleiszeit in Westeuropa verbreitet war - hinzu. Neben Lieferanten wie dem Rentier (Mittelfußknochen) oder dem Hasen (Unterschenkelknochen), deren Knochen stabil und elastisch sind, kamen weiterhin auch Elfenbein und Geweihe zum Einsatz. Über die Verwendung von Holz ist nichts belegt.
Vor 1-2 Jahren stolperte ich während einer Tour über vereinzelte Knochen, die verstreut in der Gegend lagen. Mehr aus Neugier packte ich sie mir mal ein, ohne mir wirklich Gedanken darum zu machen, was man damit anstellen könnte. So packte ich mir heute dann mal die Knochen, hinzu gesellte sich eine Flasche Bier, und so saß ich dann auf der Terrasse und überlegte, wie und wo sich ein Anfang finden lässt.
Ich wusste, dass vorangegangene Kulturen Knochen spalteten, um so an geeignetes Ausgangsmaterial zu kommen. Wohl wissend, dass sich Messerstahl und Knochen nicht sonderlich mögen, suchte ich in meinem alten BW-Rucksack - der nach wie vor mit gut 25kg Flint vollgestopft in einer Ecke auf der Terrasse steht - nach einem geeigneten Stück Stein. Als Unterlage diente mir ein Brettchen, welches ich vor Wochen auf einem Parkplatz gefunden hatte.
Ein erster, eher sanft angesetzter Hieb mit dem Stein förderte folgendes Ergebnis zu Tage:
Das war nicht wirklich die Ausgangssituation, die ich mir für dieses Projekt erhofft hatte. Schluck Bier, Zug am Sargnagel, Gedanken-Pinball, als mir etwas auffiel...
Der Hieb mit dem Flint hatte einen schönen Riss verursacht, der ebenfalls auf der anderen Seite vorhanden war. Mit Messer und Daumen ließ sich dieser Splitter anheben und rausbrechen. Sah dann wie folgt aus:
2-3 weitere, ganz dezente und vorsichtige Hiebe ergaben immerhin 3 Splitter, mit denen sich etwas anfangen ließ. Knochen ist spröde und hart und man sollte sich erstmal Herantasten, ehe man blindlings mit voller Wucht zuschlägt. Mit etwas Übung und minimalem Feingefühl lassen sich so sogar ganz kleine Stücke vom Ausgangsmaterial wegklopfen. Funktioniert, selbst ausprobiert, aber leider nicht dokumentiert.
Meine 3 Rohling:
Ein scharfes Messer lässt sich schon schön einsetzen, wobei ich den Papier-Schneide-Test nun, nach abgeschlossener Arbeit, nicht mehr anstreben möchte. Es geht aber, wobei man auch hier vorsichtig sein sollte. Kleine Knochenfragmente sind nicht nur spitz und verhältnismäßig stabil, sie fliegen auch durch die Gegend, wenn man zu wüst vorgeht. Eine Schutzbrille wäre nicht die dümmste Entscheidung, allerdings habe ich selber darauf verzichtet. Mit etwas Gefühl zum Material und Vertrauen ins eigene Messer lässt sich dennoch gut was schaffen.
Es ist heute noch fraglich, ob Knochennadeln früher geschliffen oder ausschließlich geschnitzt wurden. Aus nun eigener Erfahrung kann ich jedoch sagen, dass es sich doch bedeutend angenehmer schleifen als eben schnitzen lässt. Mag aber auch an der persönlichen Vorliebe liegen, wie man meint vorgehen zu müssen. Ich kann's empfehlen, wenn sich draußen, in freier Wildbahn, auch erst passendes "Werkzeug" finden muss. Ich nahm derweil vorlieb mit unserem Terrassenpflaster...
Da mag es sicherlich bessere und geeignetere Materialien geben, die eine entsprechende Oberfläche besitzen, aber mit etwas meditativer Ruhe ( @Albbaer ) funktionierte das eigentlich ganz gut. Vorteil der dunklen Steine: Man kann schön das Schleifbild am Abrieb erkennen und beobachten:
(noch schmaler Abriebsstreifen) (breiter werdender Abriebsstreifen)
So lässt sich während des Schleifvorgangs schön beobachten/kontrollieren, ob die angestrebte Fläche bereits plan ist und inwieweit der Schliff bereits vorangeschritten ist. Mühselig, zeitaufwendig ... doch, hat tatsächlich etwas Meditatives. Frühere Stämme, Kulturen und Völker hatten nicht nur Zeit, sie wussten sie offensichtlich sogar sinnvoll zu nutzen. Zumindest ist man doch schon eine ganze Zeit beschäftigt.
Das Nadelöhr ist eine kleine Herausforderung, aber alles andere als ein Hexenwerk. Ich hatte mit der Messerspitze eine Art Körnung vorgenommen, um zu gewährleisten, dass das Messer zentral an seinem Platz bleibt. So konnte ich anhand einer geeigneten Unterlage (Holzbrettchen) das Messer unter leichtem (!) Druck immer wieder drehen, bis eine Art Mulde entstand. Die feine Spitze des Moras war für diese Arbeit geradezu prädestiniert.
Ähnlich Durchgangsbohrungen empfiehlt es sich, das Nadelöhr von beiden Seiten anzugehen. Etwas Augenmaß, um nicht in unterschiedlicher Höhe zu bohren, dann klappt das auch. Vom Handling her möchte ich es ein wenig mit dem Bohren/Schneiden von Innen-/Außengewinden vergleichen - halbe Umdrehung vor, etwas zurück, Grat brechen und weiter.
Da kommt's langsam ...
Nach weiterer Schleifarbeit, dem ein oder auch noch anderen Einsatz des Messer, einer weiteren Pulle Bier sowie einem abschließenden Sargnagel sah das Ganze dann so aus:
Noch gut entfernt von der Endfassung, aber mit diesem Vorab-Ergebnis kann ich erstmal ganz gut leben. War letztendlich ein Versuch, ein Gefühl für dieses spezielle Handwerk zu bekommen. Knochen ist m.E. ein sehr schönes Bastelmaterial, besitzt aber Eigenschaften, an die man sich erst etwas gewöhnen muss/sollte.
Ich bleibe mal am Thema dran und bin schon gespannt, welche Reife und Erfahrung man hier erlangen kann.
Ich gestehe ... so langsam beginnt Bushcraft Spaß zu machen.
Rudi der Sonnengereifte