Good ol' Gladys versohlt uns den Hintern - Eine Kanuwanderung im Norden British Columbias (Kanada)

  • Wenn man eine Internetsuche mit den Begriffen "Gladys, British Columbia" startet, tauchen eine Menge Bilder älterer grau-haariger Damen in ihren 80er Jahren auf. So die Art alter Schachtel, von der man es erwarten würde, dass sie mit dem Nudelholz aus der Küche gefegt kommt, um einem den Hintern zu verdreschen, weil man mal wieder Quatsch gemacht hat.


    Da wir aber auf der Suche nach Details zu einer Kanutour auf dem Gladys River südlich der Grenze zwischen dem Yukon Territorium und der British Columbia Enklave Atlin waren, war schnell klar, dass uns die Fotos alter Damen kaum weiterhelfen würden und wir noch ein wenig weiter graben müssten. Leider - oder etwa zum Glück? - findet man im Internet kaum Informationen zu dieser kleinen traumhaften Kanuroute. Schließlich fanden wir über die lokalen Paddelgruppen in den asozialen Netzwerken dann doch noch ein paar wertvolle Informationen, die uns bei der Planung der Tour weiterhalfen.


    So fuhren wir dann Ende August im frühen Morgen zur Wasserflugzeug-Basis am Schwatka Lake in Whitehorse, Yukon. Von hier sollte es mit einem Buschflieger in etwa einer Stunde zu einem kleinen See in den Bergen östlich von Atlin, BC gehen.


    Mit Saul, dem Piloten, beladen wir die kleine Cessna 206 mit unserem Campingkram und verschnüren das Kanu außen oberhalb der Schwimmer…und ab geht’s…


    Wir starten unseren Flug bei schönem Wetter und genießen die Vogelperspektive auf die Wildnis des kanadischen Nordens.






    Doch dann, kurz vor dem Ziel unseres Fluges, zieht Saul die Stirn kraus, als wir in einem engen Bergtal plötzlich auf eine schwarze Wetterfront zufliegen. Mit dem Kanu an dem kleinen Flieger sind wir den Winden extrem ausgesetzt und Saul möchte lieber kein Risiko eingehen und zieht das Flugzeug in einer engen Kurve wieder aus dem Tal. Er fliegt in parallele Täler und sucht nach einem sicheren Umweg, um uns doch noch an unser Ziel zu bringen. Aber Claudia und ich beraten bereits was wir alternativ machen können. Der kleine Flieger hat nur eine begrenzte Spritreserve und Saul muss noch weiter und wieder zurück nach Whitehorse fliegen. Zum Glück findet er aber doch noch eine sichere Route und schließlich landen wir wie gewünscht auf dem Angel Lake.



    Schnell laden wir unser Zeugs aus dem Flieger und Saul schwingt sich wieder in die Lüfte um auch noch unsere Freunde Briana und Lauren aus Teslin, Yukon abzuholen und zu uns zu bringen, bevor das Wetter noch schlechter wird.


    Claudia und ich packen schon mal das Kanu, während wir auf die beiden warten. Ein kalter Wind pfeift über den See, und nach 15 Minuten warten haben wir bereits alle warmen Klamotten an, die wir für die Tour eingepackt haben.


    Nach etwa einer Stunde taucht Saul mit den beiden auf und wir können endlich unsere Kanutour beginnen.



    Der Gladys River ist ein System bestehend aus kleinen Flussabschnitten, die immer wieder von teils traumhaften Bergseen unterbrochen werden. Dabei sind die Fluss-Segmente extrem abwechslungsreich und variieren von ruhigen Bereichen mit nur wenig Strömung zu Wildwasserstrecken der Klasse II und dann schließlich einem Wasserfall, der umtragen werden muss, bevor man im riesigen Teslin See landet. Dann gilt es noch 40 km auf dem See zu paddeln, bis man schließlich im Ort Teslin ankommt.









    Zwei Tage paddeln wir auf dem Gladys River, bis wir in den großen Glayds Lake gelangen. Etwa 18 km müssen wir auf dem See zurücklegen. Und wir haben dafür etwa einen Tag eingeplant. Doch das Wetter macht uns einen Strich durch die Rechnung. Der steife Nordwind kommt uns direkt entgegen und bläst die Wellen gefährlich hoch. Nach ein paar Kilometern Paddelei entschließen wir uns trotz der Wellen den See zu queren. Hier ist er am schmalsten und wir haben das Gefühl mit den herrschenden Bedingungen noch klar zu kommen. Wir sind alle sehr erfahrene Paddler und haben Trockenanzuege dabei. Doch als wir fast schon am anderen Ufer sind, werden die Bedingungen extremer und die Wellen immer noch grösser. Claudia und ich haben mit dem etwas kürzeren Boot keine Probleme, aber das andere längere Kanu lädt sogar etwas Wasser. Schließlich sind wir am sicheren Ufer. Krassere Wellen hätten es nicht werden dürfen.






    Es ist noch nicht einmal Mittag, als wir windgeschützt im Wald unser Lager aufschlagen. Heute kommen wir hier nicht mehr weg. Die Wellen werden immer grösser und überall auf dem See tauchen die weißen Schaumkronen auf.



    Am nächsten Morgen stehen wir in Schichten auf und checken, ob sich die Bedingungen gebessert haben. Ich stehe um 5:30 Uhr auf. Es ist noch dunkel als ich im Licht der Stirnlampe zum Strand wackle. Kein Unterschied zum Vortag! Der Wind pfeift und die Wellen klatschen ans Ufer. Lauren prüft die Bedingungen um 6:30 Uhr. Keine Veränderung. Claudia steht um 7:30 Uhr auf…es sieht etwas besser aus! Endlich! Schnell packen wir unsere nassen Klamotten und Zelte ein. Kaum sind wir auf dem Wasser, wird der Wind wieder etwas stärker. Doch es ist nicht mehr so heftig wie am Vortag. Wir kommen mit 2km/h vorwärts. Es sind nur noch 6 km bis zum Ausfluss, von wo der Glayds River weiter fließt. Nach 3 Stunden kommen wir mit bleiernen Armen an. Und auf einmal kommen mir die Bilder der alten Damen aus dem Internet wieder ins Gedächtnis. Schwingende Nudelhoelzer. Weil wir Quatsch gemacht haben! Und bei der Planung nicht genug Zeit für schlechtes Wetter auf den Seen gelassen haben. Arsch voll!






    Es macht sich Nervosität breit. Wir müssen am Ende auch noch über 40 km auf dem Teslin See zurücklegen. Den extra Tag, den wir dort für schlechtes Wetter eingeplant haben, haben wir nun schon auf dem Gladys vergeigt. Wenn der Nordwind anhält, schaffen wir das auf keinen Fall. Noch mehr Arsch voll? Sollten wir länger brauchen, hört sicherlich die Welt nicht auf zu drehen. Essen haben wir auch genug. Aber unsere Arbeitgeber wären sicherlich leicht verärgert.


    Wir entscheiden uns per inReach einen Freund zu kontaktieren und organisieren so für die Etappe auf dem Teslin Lake eine Abholung mit dem Motorboot. Dadurch haben wir nun wieder viel mehr Zeit für den traumhaften Fluss und genießen es die Seen ausgiebiger zu erkunden. Und wie eine strenge, aber dann doch eigentlich gutherzige Großmutter, packt good ol‘ Gladys das Nudelholz wieder weg und verwöhnt uns mit strahlendem Sonnenschein.


    Besonders am Hall Lake, wird es wunderschön und wir kraxeln auf den spektakulären Felsinseln herum und versuchen unser Glück beim Angeln.










    Fortsetzung folgt...

  • Fortsetzung:



    Schließlich steht uns der letzte Abschnitt des Gladys bevor. Wieder verlangen ein paar einfache Wildwasserabschnitte unsere Aufmerksamkeit. Dann landen wir im letzten Kehrwasser vor dem kleinen Wasserfall und der schwierigen Stromschnelle, vor der wir gewarnt wurden. Hier müssen wir um tragen und während eine frisch gefangene Äsche am Ufer über dem Feuer brutzelt, schleppen wir Ausrüstung und Boote durch den Wald. Unterhalb der Stromschnelle setzen wir wieder ein.








    Dann geht es plötzlich ganz schnell und nach nur weiteren 6 km landen wir im Teslin Lake und schlagen an einem sandigen Strand unser letztes Lager auf. Direkt am Camp finden wir ein hölzernes Kreuz zum Andenken für jemanden, der hier 1993 ertrunken ist. Eine weitere Ermahnung für uns, dass mit den großen Seen einfach nicht zu spaßen ist. Am nächsten Tag kommt das Motorboot und holt uns ab. Der spiegelglatte See von gestern Abend hat sich durch auffrischenden Wind wieder in ein welliges Monster verwandelt. Wir sind alle froh, dass wir heute nicht bis Teslin paddeln müssen.



    Good ol‘ Gladys hat ihr verdammtes Nudelholz wieder ausgepackt…

  • Danke, Bushcraft Yukon für´s Mitnehmen. Traumhafte Bilder.

    Was die gestrenge Großmutter betrifft, da habt Ihr ja einiges zu erzählen. Gut dass ihr es erzählen könnt und nicht wegen nicht ganz ausreichender Planung entweder der Arbeitgeber muffelig oder mehr passiert ist.

    Ich hab´ hier gut reden. So weit draußen war ich noch nicht.

  • Ein Träumchen und eine große Bereicherung des hiesigen Forums.


    :thumbup::thumbup::thumbup:

    "Das schönste Geschenk, das die Götter den Menschen verliehen, ist die Freundschaft. Mögen manche auch den Reichtum, die Macht, die Ehre oder die Gesundheit preisen, ich ziehe Freundschaft und Weisheit allen anderen Gütern vor."

    Marcus Tullius Cicero (106 v. Chr. - 43 v. Chr.)