Was ist Windchill?

    • Offizieller Beitrag

    Immer wieder lese ich (selbst in Wikipedia) die Aussage, dass der Windchill gleichzusetzen sei mit "gefühlter Temperatur". Da widerspreche ich, da es nicht um subjektives Fühlen geht, sondern um einen faktischen und messbaren Wärmeverlust durch die Einwirkung von strömender Luft.
    Ich möchte hiermit eine Diskussion anregen:
    1. Was bedeutet denn nun "Windchill" tatsächlich?
    2. Welche Relevanz hat der WC ^^ für Bushcrafter?
    3. Welche Relevanz hat der WC für sportliche Aktivitäten wie z.B. Skifahren, Segeln etc.?
    4. Wie sind die Konsequenzen für den Bau des Nachtlagers?
    5. Spielt der WC für euch eine wirkliche Rolle? Beispiele sind gerne gesehen!


    Haut rein, das ist ein interessantes Thema! :thumbup:

  • Eine schöne und einfache Erklärung ist hier zu finden:


    https://www.bergfreunde.de/windchill-effekt-rechner/


    Hier wird auch darauf eingegangen, was bei der gefühlten Temperatur noch eine Rolle spielt - die Luftfeuchtigkeit beispielsweise. Gerade diese scheint mir verantwortlich zu sein, dass mir dieser Tage (bei identischer Bekleidung) bei -2° und hoher Luftfeuchte kalt war. Bei geringer Luftfeuchte und -13° hingegen war musste ich die Jacke öffnen. Beides mal war Windstille, bei entsprechendem Wind dürfte der Unterschied durch den Windchill noch ausgeprägter gewesen sein.


    Ebenfalls krass war der Unterschied bei Minustemperaturen und mässigem Wind zwischen der freien Fläche und im Wald. Dem Wind ausgesetzt habe ich gefroren, im Wald dann die Jacke geöffnet.


    Insofern spielt neben den anderen Faktoren der Windchill eine bedeutende Rolle und hat bei mir durchaus Einfluss auf die Bekleidungswahl (winddurchlässig versus winddicht).


    Spannendes Thema :thumbsup:

  • Während einer Nachtwanderung mit Walter durchquerten wir ein kleines Nadelwäldchen. Wir waren schon über eine Stunde unterwegs, es war relativ frisch in der Eifel und der Wind war bisher mäßig. Als wir aber besagtes Wäldchen betraten und sich der Wind unter den Baumwipfeln auf die astlose Höhe der Stämme konzentrierte, wurde es gefühlt locker um 5° kälter. Trotz relativ winddichter Kleidung und ordentlicher Energiezufuhr wurde mir schlagartig kalt. Als wir kurze Zeit später auf einer Plateauebene dem Wind schutzlos ausgeliefert waren, war es wieder bedeutend angenehmer, wobei der spürbare Wind auch nicht mehr so stark war.


    Hinsichtlich eines Nachtlagers würde ich zukünftig schon schauen, dass ich mir einen Platz suche, wo sich der Wind nicht sonderlich konzentriert - z.B. Schneise/Rückegasse. Auch im Bezug auf Kleidung würde ich mich wohl nicht mehr nur auf die gemeldeten Außentemperaturen verlassen, sondern zudem auch einen Blick auf zu erwartende Windgeschwindigkeiten und auf die relative Luftfeuchtigkeit werfen.

  • Windchill ist ein Phänomen das garantiert jeder von uns kennt, erst diesen Samstag stand ich bei unserem mobilen Hofladen, der uns regelmäßig anfährt ( und unglaubliche Wurstwaren hat...hmmm ) wenige Mintuen bei Ca 1 Grad aber leichtem Wind und reichlich Luftfeuchtigkeit rum. Das war gefühlt deutlich Kälter und tat sogar in den Ohren weh , als die 10 Grad minus vor einigen Tagen . Da war die Luft deutlich trockener !


    Habe das mal unproffessionel erklärt


    Das Leben ist ein Spiegel: wenn du hineinlächelst, lächelt es zurück
    George B. Shaw

    Einmal editiert, zuletzt von Peter von Hausen ()

  • @Schnakes Link zu den Bergfreunden sagt eigentlich schon ziemlich viel aus. Das ist sehr gut erklärt.


    Ich habe noch ne empirische Formel gefunden, mit der man es berechnen kann.


    WCT = 13,12 + 0,6215 * Ta -11,37 * v0,16 + 0,3965 * Ta * v0,16



    WCT = Windchilltemp. (In Ermangelung eines besseren Begriffes)
    Ta = Außentemperatur
    v = Windgeschwindigkeit



    Funktioniert sogar! :)



    Zu deinen Diskussionsanstößen:



    1. Windchill bedeutet eher den Wärmeverlust mit steigender Windgeschwindigkeit. Wenn du über den Tee pustest, kühlt er ja auch schneller ab. Wenn du im Wind stehst, kühlst du schneller aus. Besonders beim Schwitzen, sprich bei sportlichen/körperlichen Aktivitäten.
    2. und 4. Nachtlager oder Schlafplatz sollten immer windgeschützt sein, gerade wegen der Auskühlungsgefahr. Evtl. im Winter eine Windmauer aus Schnee bauen. Kann mich erinnern dass einige Foristen schon Bilder davon gepostet haben.
    3. Als alter MTBler und Bergsteiger hat man mit dem WC öfters zu tun. Gerade beim Mountainbiken, bei kälteren Temperaturen, achte ich immer auf entsprechende Kleidung mit "Windstopper"-Effekt. Gerade Finger, Gesicht, Gelenke und Rumpf sind hier wichtig. Problem hierbei, nehmen wir an die Steigung ist im Wald. Ich fang das Schwitzen an. Abfahrt aus dem Wald raus, unten bin ich am Bibbern. Ich kann mich an eine Abfahrt in den Alpen erinnern. 5 Grad, Regen, ziemlich windig. Als ich in Immenstadt war, zitterte ich am ganzen Leib. Musste mich im Bahnhof dann kurz nackig machen und umziehen.
    Beim Bergsteigen das Gleiche. Gerade oberhalb von 2000-3000 Metern pfeift der Wind manchmal schon ganz schön. Deshalb vermeidet man es auf nem Kamm oder Gipfel zu lagern, sondern sucht sich ein windgeschütztes Plätzchen. Auch ein Beispiel. Wir wollten auf einen Gletscher, schöne Temperaturen gehabt. Plötzlich fiel das Thermometer und der Wind frischte auf. Zum Glück waren wir eine erfahrene Truppe und gut ausgerüstet. Wir trafen dann ein Pärchen, die nicht so gut ausgerüstet waren. Die zitterten und bibberten wie irre. Obwohl die Temperaturen um die 0° jetzt nicht so prekär waren, aber die Windgeschwindigkeit hat ihnen ganz schön zugesetzt. Darf man nicht unterschätzen.
    5. Windchill ist in gewissem Maße berechenbar, aber auch doch durch persönliche Faktoren bestimmt. Manchen wird es schneller kälter als anderen.


    Soviel dazu, auf die Schnelle, mir fällt bestimmt noch was ein...

    Die Gebirge sind stumme Meister und machen schweigsame Schüler.
    (Johann Wolfgang von Goethe)

    2 Mal editiert, zuletzt von Muli () aus folgendem Grund: Rechtschreib- und Grammatikfehler hinzugefügt

  • Nochmals zu Punkt 2 / 3:


    Ausreichend Wind in Verbindung mit Feuchtigkeit kann schon bei Temperaturen über 0° C zu lokalen Erfrierungen führen.

  • "Hier zieht's aber!"
    Sagt man ja ab und an. Aber nur, wenn der Hauch einem die Wärme rauszieht.
    In heißen Regionen hat man sich das auch in und an Gebäuden zunutze gemacht. Windtürme.
    Konstruktionen auf Dächern mit vier offenen Seiten, Zwischenwänden und Schächten, durch welche kühlere Luft ins Innere der Gebäude transportiert wird.

  • Meiner nicht maßgeblichen Meinung nach ist "wind chill" ein neumodisches Wort für Verdunstungskälte.


    Es soll Leute geben, die im Sommer darauf schwören, ihr Bier in nassen Socken im Fahrtwind zu kühlen. Ich glaube, das Bier erlebt dabei Windchill. Und die gefühlte Kälte des Bieres kann selbst im Hochsommer ausreichen, damit es gefriert.



    Das Baumkind

  • So hab ich Windchill verstanden.
    Da es die Stehend Luft ist die gut Isoliert und der Wind die Luft Ständig austauscht
    nimmt die fortgeblasen Luft ein teil der Wärme mit.



    Fazit:
    So gut wie möglich aus dem Wind.

  • zu 1: Windchill = Röntgenwind, ein kalter Wind der durch bis, gefühlt, auf die Knochen geht.
    zu 2: WC hat eine vergleichsweise Hohe Relevenz, da sich das ganze Bekleidungskonzept weniger um die Dicke der Dämmschicht dreht sondern um deren Isolationswirkung. Die kollidiert aber mit dem Abtransport von Schweiss etc. usw. - so zumindest meine Sicht
    zu 3: Im sportlichen Bereich mit hoher Windexposition ist der WC natürlich ein noch grösseres Problem.
    zu 4: Ein Lager sollte natürlich windgeschützt aufgebaut bzw. mit entsprechendem Windschutz ausgestattet sein.


    zu 5:


    Friese, du bist Flachländer, wenn ihr an der Küste an den Strand geht und den Bauch in die Sonne haltet baut ihr eine Strandmuschel als Windschutz auf. Hinter dem Windschutz ist es ganz angenehm, aber sobald ihr den Fusszeh raus haltet wird es kalt. Hier spielt dann auch die Verdunstungskälte mit rein. Auch das ist WC.


    Wer würde mir glauben das ich bei -30 Grad Aussentemperatur und ohne Wind draussen bspw. nur einen blauen Bw-Wollpulli (die britischen sind noch besser, aber schwer zu bekommen), einen dünnen Baumwollrolli oder Fleace-Rolli und lange i.d.R. Kunstfaserunterwäsche an habe. Das genügt völlig zum Holzhacken oder Schneeschaufeln. Sobald aber ein bischen Wind ins Spiel kommt langt das nicht mehr. Da zieht dann die Kälte durch bis auf die Haut.
    Ich habe auch eine dicke Daunenjacke (HellyHansen glaub ich....). Gebraucht habe ich die noch nie, da genügt bei -30 Grad ein T-shirt drunter (das ist kein Scherz, und auch keine Übertreibung). Sie ist winddicht und schliesst an den entsprechenden Stellen gut ab + die dicke Isolation.....


    usw.


    (ich muss jetzt los, später evtl mehr)



    weiter gehts....


    Ein weiteres Bsp ist der Pilkkihaalari...gibts bei euch nicht....
    https://www.google.fi/search?q…bfRAhVTOFAKHQCHB1cQsAQIUQ
    Im Prinzip ein gefütterter Overall a la Panzerkombi, allerdings weiter geschnitten mit einem Wind, oftmals auch wasserdichten Aussenmaterial. Darunter trägt man die normale Winterbekleidung, Weste, Jacke geht auch wenn es mal richtig kalt wird. So dick ist das Ding garnicht gefüttert, aber es hält unheimlich warm wenn man den ganzen Tag auf dem Eis sitzt und angelt... ach ja, er ist zum Eisangeln. Es gibt so ähnliche für Motorschlittenfahrten oder zum Quad/ATV/Mömkijä.... diese 4-rädrigen Motorräder halt... aber die haben ein festeres Aussengewebe. Die Bünde haben Gummizug und schliessen so gut ab.


    ... oder ganz einfach der Poncho, unter dem Ponch ist man gleich wie in der Sauna...


    Lange Rede, kurzer Sinn, und ich glaube es ist eine relativ gewagte These, aber ich würde behaupten das die Kälte selbst nicht das eigentliche Problem ist. Der Windchill, also der Wind und die Feuchtigkeit ob in Tropfenform oder als Luftfeuchtigkeit sind das grössere Problem beim Kälteempfinden. Natürlich braucht man eine Dämmschicht zur Kälteisolation, aber eine gewisse Winddichte ist noch viel wichtiger. Jetzt kommt natürlich das Problem Schweiss ins Spiel, und im Endeffekt landen wir beim Thema Membranen....


    Gruss

  • Windchill ist, wenn du bei - 10° im Schneesturm am Albtrauf stehst und versuchst ein Feuerzeug anzubekommen. Dir aber in der Zeit zwischen Handschuhe ausziehen, Feuezeug aus der Tasche holen und Reibrad drehen Dir die Finger so steiffrieren das dies nicht mehr geht und du die Hände schnell wieder in die Fäustlinge stecken musst weil die Finger so derbe brennen. Danach weißt du dann wie sich Windchill anfühlt, frag mal den @Albbaer.


    MfG Bushdoc

  • Ja, so in etwa kann man das beschreiben. Wir hatten das ja am Wochenende in seiner schönsten Form, gell @Bushdoctor. Wenn man am Feuer steht und denkt: Sch...so viel Holz kannst da gar ned reinwerfen daas das warm wird hier...

  • @Baumkind glaub mir wir haben beides ;) . Und zusammen noch 50 Jahre Outdoorerfahrung, wir erfrieren nicht und bekommen auch unser Feuer an. Aber mit deinen klugen Tips darfst du gern mal mitkommen und uns zeigen wie das richtig geht :D . Fühl dich eingeladen. Aber nicht erst im Sommer kommen. Weil ohne Schneesturm ist alles leichter und nur halb so lustig ;) .


    MfG Bushdoc

  • 1. Was bedeutet denn nun "Windchill" tatsächlich?

    Für mich persönlich weil ich es nicht anders weiß ist und bleibt es die gefühlte Temperatur im Wind
    Mein Beispiel:

    In dieser windgeschützten Hütte waren echte -2°Celsius...


    ...doppelt gemessen um annähernd korrekte Werte zu haben.

    Die nächste Messung fand im Wind unter Verwendung des Windrades(Anemometer)statt und zeigte die gefühlte Temperatur im Wind an.Die Messung fand 10 Meter vom Häuschen entfernt statt.


    2. Welche Relevanz hat der WC für Bushcrafter?

    Ich denke es kann die Wahl der Ausrüstung beeinflussen.Es macht ja schon einen Unterschied ob ich bei -10°im geschützten Wald übernachte oder auf einem unbewachsenen Berggipfel.

    4. Wie sind die Konsequenzen für den Bau des Nachtlagers?

    Mein Kumpel mit dem 3 Jahreszeiten Schlafsack zog es vor in der Hütte zu übernachten während ich es mir zutraute mit dem Def6 die volle Ladung Wetter abzubekommen.

    5. Spielt der WC für euch eine wirkliche Rolle? Beispiele sind gerne gesehen!

    Ich bringe mich wettertechnisch gerne an die Grenze des zu Ertragenden,ja man kann sagen ich will für MICH wissen ob ich ein harter Hund bin.
    Ich will wissen was kann ich ab,was leistet meine recht einfache,verglichen mit anderen recht günstige Ausrüstung.Es bringt mir gelegentlich sogar ein Schmunzeln ins Gesicht,wenn andere noch über teure Daune philosophieren und am Ende hört man wieder wie die Teile kollabieren,die Daune verrutscht und,und,und.Alles Dinge die ich nie erleben musste,weil ich weiß was meine Ausrüstung bei welchen Temperaturen taugt.Um weitere Tests für mich durchzuführen und zu präzisieren kam dieses Jahr das Anemometer zu meiner Winterausrüstung dazu.
    Um uns und unsere Ausrüstung zu testen verschlägt es uns nächsten Monat in die Alpen,wo wir auf bis zu -40°Celsius hoffen.
    Wir haben zwar keinen direkten Einfluss auf das Wetter, aber -20° bis-40°sind an unserem Reiseziel realistisch und dann noch gepaart mit Vollmond könnte das was tolles werden.Angenommen wir hätten vor Ort nur -20°,können mit dem Anemometer aber trotzdem gefühlte -30 messen dann bin ich doch auch schon zufrieden und mit dem Ausrüstungscheck ein Stück schlauer.

    Einmal editiert, zuletzt von Rockdog ()