Ich bin ja ein großer Fan von Wollstoffen im Outdooreinsatz. Ob nun in Form von Merino-Unterwäsche (Dilling, Icebreaker) oder Wollsocken, als Loden-Oberbekleidung oder als wärmende Zwischenschicht á la Woolpower, Aclima, Brynje, etc. Wolle ist also generell bereits (wieder) standardmäßig in viele Bekleidungsschichten vorgedrungen, ein dunkles Loch klafft lediglich bei ernsthaften Wetterschutzschichten und – Hemden.
"Hagbard McLeod vom Clan der McLeod"
Letztere sind zumeist aus Baumwolle oder Polycotton, auch vollsynthetische sind auf dem Markt. Baumwollhemden sind billig zu produzieren, einfach zu färben und müssen zeitnah durch neue ersetzt werden – ein Traum für jeden Hemdenproduzenten. Mit Hemden aus Polycotton (etwa in stabil vom Fuchs oder von e.s. oder in weich und dünn von Craighoppers) habe ich eigtl. recht gute Erfahrungen gemacht, stabil und als hilfsweise Wetterschutzschicht für leichten Niesel mitunter durchaus brauchbar. Auch vollsynthetische Hemden haben ihre Vorzüge, sind allerdings meist noch funkenanfälliger und müffeln am schnellsten – dafür haben sie dann die Vorteile des schnellen Trocknens oder auch Zusatznutzen wie Stretch-Anteil.
Da ein Baumwollhemd (und in geringerem Ausmaße KuFa) jedoch im Aufbau sinnvoller Zwiebelschichten einen gewissen Systembruch darstellen kann und ich zudem ohnehin von dem Material Wolle überzeugt bin, habe ich mich schon einige Jahre mit dem Thema beschäftigt und am renommierten BCG-Institut für angewandte Bushcraftmaterialkunde div. Varianten verglichen. Vorweg: Der Markt ist nicht allzu groß und somit das Angebot leider nicht wirklich breit. Nichtsdestotrotz kann man ein paar echte Preis-Leistungs-Schnapper machen, dazu später mehr. Ich frage mich mittlerweile tatsächlich, wieso Menschen überhaupt noch reine Baumwollhemden tragen – muss wohl an der völlig überbewerteten sog. „Mode“ liegen…
Materialeigenschaften
Die Materialeigenschaften variieren natürlich mit der Herkunft, der Verarbeitung und den verwendeten Rohstoffen. Wolle ist ja nicht gleich Wolle, es gibt natürliche Hohlfasern wie von Possum und Vikunja, es gibt sehr feine Edelwoll-Fasern wie etwa Cashmere, Mohair (beide stammen von Ziegen) und Angora (stammt vom Angorakaninchen) und dann natürlich div. Unterarten mit rasse- und altersspezifischen Unterschieden bei der Schafswolle (edles Merinoschaf aus Neuseeland oder die 20jährige Zottel-Lotte vom Shetland-Schäfer Shawn…). Leichte, weiche, kurzfaserige und hohle Fasern bedürfen für manche Zwecke eines Zusatzes stabilerer langfaserigerer Wolle, um das Gestrick oder das Gewebe zu stabilisieren. Auch entscheidet u.a. die Länge der Wollfaser über die Qualität des späteren Endproduktes, dies alles hier mit zu behandeln würde aber den Rahmen deutlich sprengen. Zudem gibt der Markt ohnehin fast ausschließlich Ware aus Schafwolle her – was aus Stabilitäts- und Haltbarkeitsgesichtspunkten auch einen gewissen Sinn ergibt (der Alpaka-Pulli ist ja v.a. Wärmeschicht).
Was in meinen Augen generell für Wolle spricht, bzw. sie so universell macht, aber andererseits auch die Kompromisse, die man damit eingeht, habe ich hier einmal versucht in Bezug auf Hemden zusammenzustellen...
Vorteile von Hemden aus Wolle:
- Sehr funkenfest
- Irre atmungsaktiv
- „Selbstreinigend“, meist reicht eine Nacht im Tau und das Hemd riecht wieder frisch, somit gerade für den Langzeiteinsatz ohne sinnvolle Waschmöglichkeit geeignet
- Wärmt auch nass
- Nahezu lautlos
- Haltbar
- Weich und bequem, auch bei Nässe
- Passend für ein breites Klimaspektrum
Wesentliche Nachteile der Wollhemden gegenüber dem Hauptmitbewerber Polycotton:
- Keine Dornenfestigkeit
- Langsames Trocknen wenn einmal vollständig nass
- Gegebenenfalls Kratzigkeit der Wolle
- Oft höheres Gewicht
Pflege
Grundsätzlich lüfte ich die Hemden so oft es geht. Ich wasche alle meine Wollhemden mit der Hand in milder lauwarmer Seifenlauge, dadurch sollen sie länger halten. Die Wollhemden sollten nicht zu heiß gewaschen werden, bei einigen ist eine Trockenreinigung empfohlen – ich habe bisher mit meiner Vorgehensweise aber keinerlei Probleme bekommen. Nach dem Waschen gebe ich noch etwas reines Wollwachs (Lanolin Anhydrat) in warmes Wasser und walke das Hemd darin gründlich durch (etwas Seife als Emulgator sollte auch mit rein). Eine Behandlung mit Wollwachs empfiehlt sich, da die Wolle nicht nur wasserabweisender wird, sondern die Selbstreinigungseffekte verbessert und die Kratzigkeit verringert werden. Dies habe ich mit dem China-Pendleton sogar selbst erlebt, dieses war das einzige Hemd, wo ich eine gewisse Kratzigkeit feststellen konnte – dies war nach der Lanolinbehandlung nahezu verflogen.
Hemd zu klein?
Wollhemden haben den Riesen-Vorteil, eine gewisse Materialdehnung eingebaut zu haben. Diese kann man nutzen, um bspw. Die Ärmel etwas zu verlängern. Das kann man gut mit dem Bad in Lanolin-Emulsion kombinieren, siehe oben. Das nasse Hemd wird dann kräftig gewrungen, die Ärmel extra lang gezogen. Ich ziehe das nasse Hemd dann auch an, halte die Ärmelbündchen (erst links, dann mittig, dann rechts) mit der Hand und ziehe die Ärmel in die Länge, auch durch Anwinkeln des Armes etc. Dies sollte man mehrmals wiederholen, da kann man, je nach Stoff, durchaus einige cm herauskitzeln.