Ich kann eine gewisse Vorliebe für abwegige Klingengeometrien nicht verleugnen.
Beim Rumstöbern auf der Website eines bekannten finnischen Messerversandhandels, ist mir neulich das Brush Wolf von TOPS Knives aufgefallen.
Zwei spontane Verkäufe entbehrlicher Messer später war meine Bestellung auf dem Weg zu mir.
Keine Frage: das Brush Wolf ist.... ein großes Messer... 4,5mm dickes 1095-Blech bei 165mm Klingenlänge, und mit einem sehr langen Griff ausgestattet, der verschiedene Haltepositionen zulässt und das Messer auf stattliche 308mm Gesamtlänge bringt.
Es sieht so aus, als hätten die Macher jede Menge Gedanken zur Gebrauchstüchtigkeit einfließen lassen...und Design, viel Design. Wenn man ein paar Recherchen anstellt, stößt man beizeiten auf Vergleiche zum "Nessmuk". Ich finde, dass das Messer sehr gut ohne diese Vergleiche auskommt.
Ich habe bisher die üblichen Arbeiten verrichtet, an die man so denkt, wenn man ein Camp-Knife / größeres Outdoor-Tool in die Hand nimmt: Aufspalten und Auffächern von dünnem Anmachholz, etwas Foodprep, Wurstspieß vom Haselstrauch hacken, kleine Schnitzereien, Schnur / Seil schneiden...
All das ging mit dem Brush Wolf gut von der Hand, einzig beim "Schnitzen" hatte ich anfangs etwas Probleme. Mit dem hohen Sabre Grind und vor allem mit dem recht dünnen Griff kam keine richtige Freude auf. Allerdings hat sich das nach etwas Eingewöhnung gegeben und mittlerweile gelingen ganz hübsche Feathersticks.
Dass ein Messer dieser Größe kein Schnitzmesser ist, muss eigentlich nicht erwähnt werden.
Eingangs hatte ich von viel Design gesprochen: ein zur Klingenlänge besser dimensionierter Griff würde dem Messer gut tun, aber es würde ihm gar nicht gut stehen, das wäre dann etwas ganz anderes; außerdem würde ein größerer Griff bei gleicher (Griff-) Länge das ganze Gewichtsverhältnis vollkommen verschieben. So wie es ist, ist es sehr gut ausbalanciert.
Ich glaube, beim Brush Wolf wurden diesbezüglich einige Kompromisse gemacht, die aber in ein wirklich gutes Gesamtpaket geschnürt wurden.
Am auffälligsten ist ohne Zweifel der Sägezahn-Rücken. Er erinnert an eines dieser Rambo-Messer oder an Aaron Hallams üble Pieke in "Die Stunde des Jägers". Schlimm! Aber ohne wäre es irgendwie auch langweilig. Immerhin: die Zähne sind scharf und sogar "geschränkt" - das ändert aber nix daran, dass sowas bei fast 5mm Materialstärke recht bescheiden sägt. Sinn dieses fragwürdigen Elements sei das Herstellen kleinerer Einkerbungen, um beim Fallenbau oder anderen Arbeiten zu verbindende Holzteile besser ineinander stecken zu können, begründen die Designer die Sache in einem ihrer Videos. Gut, kann schon sein. Mir sieht das alles eher nach dem Wunsch aus, dem Ganzen ein i-Tüpfelchen in Form eines gefährlich aussehenden Irokesenschnittes mitzugeben. Wie auch immer, das Gesamtbild stimmt.
Das Design der zentrierten Spitze gefällt mir sehr. Sie ist kräftig ausgearbeitet, aber trotzdem fein genug, um was anbohren zu können.
Gleich hinter der nicht zu grob geriffelten Daumenauflage findet sich eine auf 90° geschliffene, sehr scharfkantige Fläche zum Feuerstahl anreißen, die sehr gut funktioniert. Auch zum Schaben eignet sich sowas. Ich finde dieses Feature ganz brauchbar, auch wenn ich den Feuerstahl meistens mit einem daran befestigten Anreißplättchen verwende.
Das Messer hat viel Bauch für lange Schnitte und maximale Einwirkung bei allen Hackarbeiten - wenn man mit dem Teil zuhaut, greift der Sabre Grind steil ein, den Rest übernehmen dann die 4,5mm an der dicksten Stelle der Klinge: sie treiben das Material zuverlässig auseinander. Klasse. Auch ziehende Schnitte durch beispielsweise größere Portionen Fleisch gelingen einwandfrei. Kräuter mit wiegender Bewegung zerkleinern und weitere Küchenarbeiten sind kein Problem. Das Messer kann mehr, als man auf den ersten Blick vermuten möchte, allerdings eher im Bereich der gröberen Arbeiten, was für "draußen" vollkommen in Ordnung ist.
Geliefert wird das Messer in einer Lederscheide, die in ihrer Verarbeitung über jeden Zweifel erhaben ist. Absolut erstklassig. Das Messer sitzt darin tief genug, um ein Herausrutschen zu verhindern, lässt sich aber trotzdem gut ziehen. Am Gürtel wird die Scheide mittels eines Danglers befestigt. Auch das ist sehr gut gelöst.
Ich glaube allerdings nicht, dass ich mir jemals ein solches Messer an den Gürtel hänge. Das wäre mir dann doch "too much", wie man so schön sagt. Ich habe es meistens im Rucksack. (Es passt sogar in die Zollstocktasche, wenn man will.) Leider verschwindet das schöne, schlanke Design des Messers in der doch recht üppigen Scheide, es wirkt etwas "unvorteilhaft gekleidet". Und ich bin auch kein großer Lederfreund, um ehrlich zu sein.
schwyzi und Steuermann lenkten neulich im Messer-Zeige-Faden (in einem anderen Kontext) meinen Fokus in Richtung Kydex und auch auf Olli von OS Kydex Sheaths. Der Mann ist bekannt für seine erstklassig verarbeiteten Custom-Kydex-Scheiden und wohnt keine 25 Autominuten von mir entfernt.
Das wär doch was: ein leichter Transportschutz aus Kydex, dachte ich mir.
Über das Forum war der Kontakt schnell hergestellt. Olli meinte, ich solle einfach vorbeikommen und das Brush Wolf mitbringen.
Das werde ich nun morgen mal machen. Ich hab auch schon ein paar wilde Ideen, ich sehe Olli schon mit den Augen rollen. Aber er wird mir sicher sagen, was möglich ist.
Fazit:
- auffälliges, gut durchdachtes Camp-Messer mit Survival-Allüren
- schön langer Griff, der möglicherweise nicht jedermanns Sache ist
- einfacher, pflegeleichter, nicht rostfreier Stahl mit Beschichtung
- sehr gut verarbeitete Lederscheide
Ich finde das TOPS Knives Brush Wolf sehr gelungen. Wer ein großes Messer mit Charakter sucht, ist damit gut beraten und wird nahezu alle Arbeiten zufriedenstellend ausführen können.
Ich werde an dieser Stelle immer mal wieder berichten, wie es sich schlägt.