Im Wald übernachten? Im Januar? Ohne Schlafsack? Lebensgefährtinnen, Mütter, und Freundeskreise schütteln nur mit dem Kopf und winken ab. Man muss Fragen über sich ergehen lassen wie "Was stimmt eigentlich nicht mit dir?" oder auch einfach nur "Warum???". Spontan fallen mir mehrere Antworten ein, aber leider ist keine dabei, die den fragenden Gesichtern die mir gegenüber sitzen als Erklärung ausreichend erscheint. Komische Hobbies haben manche Leute....... und die gehen dann halt in ein Fachforum wie dieses
Gegen 10:30 zogen @HerrNilsson und ich los in ein niedersächsisches Waldgebiet unserer Wahl. Eingepackt in dicke Lagen aus Wolle und Fleece waren wir eher gemütlich unterwegs, um nicht zu schwitzen. Jeder hatte 10 Ausrüstungsgegenstände seiner Wahl dabei, die sich teilweise überschnitten, da eine gemeinsame Nutzung von Werkzeugen nicht geplant war. Ich hatte einen Feuerstahl in der Hosentasche und ein Messer am Gürtel. Eine Schaummatte und Säge hatte ich mit Paracordbindungen einfach über die Schulter geschlungen, und in einen Shemagh eingewickelt trug ich 4x5m Malerplane, Rettungsdecke, ein Pfund NRG-5, Stahlflasche und eine Stirnlampe um die Hüfte. Ausserdem hatte ich einen kleinen Packsack in der Hand mit Handy, Powerbank, Klopapier und EH-Set für den Notfall. Auf dem Thermometer standen -4°C und in der kommenden Nacht sollte es auf -9°C runter gehen. Na hoffentlich geht das gut
Immer wieder mussten wir grössere Wasserflächen umgehen, die von einem nahe gelegenen Fluss gespeist wurden, denn das Eis trug unser Gewicht leider nicht.....
An diesem sehr schön gelegenen Lagerplatz am Waldrand wollten wir die Nacht verbringen. Feuerholz und ein fliessendes Gewässer befanden sich in direkter Nähe, ausserdem konnten wir die dichte Schicht aus Eichenlaub gut nutzen, um unsere Schlaflager abzupolstern.
HerrNilsson hatte es sich vorgenommen, uns ein ganz besonderes Langfeuer aus den gespalteten Hälften eines Birkenstammes für die Nacht zu basteln. Mit Axt, Säge und diversen gecrafteten Holzkeilen sollte sein Plan nach langer und harter Arbeit endlich aufgehen
Während er auf den Baumstamm einprügelte, als hätte dieser ihm persönliches Leid zugefügt, habe ich mir vor lauter Unachtsamkeit mit der Säge meinen halben Daumennagel hochgeklappt:
Nachdem ich eine zarte Blutspur bis ins Lager gelegt hatte, und alles fachgerecht medizinisch versorgt war, liess ich es mir bei einem staubtrockenen Weizenriegel und abgekochtem Flusswasser der Gewässergüteklasse II erstmal so richtig gut gehen . Ein komisches Zeug, dieses NRG-5: es schmeckt nicht toll, aber auch nicht schlecht! Wenn man sich über den Tag verteilt immer mal ein Stück in den Mund schiebt, kommt jedoch kein Hunger auf. Auch nicht am nächsten Morgen - lediglich der Appetit nach etwas herzhaftem, und fettigen....... aber kein wirklicher Hunger. 3 von den 9 Riegeln habe ich sogar wieder mit nach Hause genommen. Somit tut das Zeug genau was es soll - es versorgt den Körper auf seltsam subtile Art und völlig leidenschaftslos mit Kalorien.
Mittlerweile waren die ersten gespaltenen Birkenstücke fertig und sollten die Basis unseres Feuers bilden. Hier kamen später kleine Zweige, armdicke Fichtenstämme, Birkenrinde und Reisig hinzu, und obendrauf wurde -quasi als Sandwich- wieder eine Birkenstammhälfte platziert. Dieses Feuer sollte uns möglichst lange warm halten, und die gleiche Menge Brennholz haben wir in der Nacht noch zwei mal nachgelegt.
HerrNilsson baute sich längs zur Feuerstelle ein klassisches Trapperbett mit Unterbodenisolation, Baumwolltarp und Wolldecke.
Ab 17:15 brannte unser Wärmespender 14 Stunden lang, bis es am Morgen ganz langsam wieder hell wurde. Die Nacht war pechschwarz, es wehte ein ganz leichter Wind und wir waren etwas enttäuscht, dass die gemessenen Tiefstwerte nur bei -6°C lagen. Dafür kam uns eine Eule besuchen, die ganz in unserer Nähe mehrfach sehr laut und klar "UHU...............HU...HU" sang. Und irgendetwas schlich nachts vorsichtig um unser Camp - Wölfe höchstwahrscheinlich
Ich schlief in einem SuperShelter à la Kochansky, und musste zwischen dem Feuer und mir teilweise Brennholz zwischenlagern, um meine Schlafstätte abzuschirmen. Gefühlte 30°C sind nicht lustig, wenn man mit langer Unterhose und mehreren Merinowoll-Longsleeves am Körper versucht, zu seinem verdienten Schlaf zu kommen. Das nachfolgende Bild entstand am nächsten Morgen: zwei Zweibeine, eine Ridgeline, die Malerplane und Rettungsdecke wurden einfach drübergezogen und innen mit Hölzern beschwert.
Im Innenraum war es recht gemütlich, warm und angenehm beleuchtet. Wichtig ist bei der Konstruktion, dass die Plane zum Feuer hin vertikal nach unten zeigt, da sonst Funkenflug viele kleine Löcher hineinbrennt (das passiert sowieso, aber man will das Risiko natürlich minimieren). Die vom Feuer abgewandte Seite mit der Rettungsdecke sollte im 45° Winkel abgespannt werden.
Meine Aussicht war leider etwas trübe:
Es war ein schönes kleines Abenteuer, und wieder einmal hat man was dazugelernt und Erfahrungen gesammelt.
#komfortzoneverlassen
#rausgehen
#unangepasstsein