Wald essbar machen

  • Ja hallo auch :)


    Ich habe letztens ein Buch in Richtung Permakultur angefangen - "Miraculous Abundance" - und der Autor hat da etwas ganz interessantes geschrieben. Er hat erzählt, dass gewisse indigene Stämme, die er besuchte teilweise nomadisch gelebt haben. Der Hintergedanke war dabei, dass sie so lange von ihrer Umgebung gelebt haben, bis die Natur sie nicht mehr versorgen konnte und dann sind sie zum nächsten Punkt gezogen. Dabei sind sie aber zyklisch schon immer wieder an die selben Stellen gekommen.

    Anstatt die Umgebung zu kultivieren, haben sie auf ihren Wegen Samen und Pflanzen in die wilde Natur eingebracht, die ihnen Nahrung geben konnten, haben sie dann sich selbst überlassen wachsen lassen und haben dann, das nächste Mal als sie an der Stelle vorbeikamen, sozusagen einfach geerntet.

    Das alles lief eher im Urwald-Setting, was natürlich ganz anders ist als hier. Aber wie seht ihr diesen Ansatz?


    Seid ihr der Meinung, dass man sehr widerstandsfähige alte Sorten, ohne Blick auf Ertrag an gewissen Punkten in der Natur "auswildern" kann? Natürlich regt sich da in meinem Hinterkopf gleich die Sorge, dass man mit so einer Aktion das Gleichgewicht des Ökosystems verändert. Allerdings rede ich ja nur von heimischen Pflanzen. Wir haben ja inzwischen genug invasive Arten aus dem Ausland, die sich hier auch breit machen und stören.

    Oder man pickt sich auch bereits wilde Pflanzen und Beeren und alles aus der Natur und versucht sie konkret an anderer Stelle anzusiedeln? Ich finde den Gedanken sehr interessant und bin gespannt auf euren Blickwinkel. :koch:

  • Unser "Deutscher Wald" wird sich eh in der Zukunft verändern NewWorld .

    In einer meiner Parzellen beobachte ich, dass z.b. die Walnuss immer öfter vorkommt, ganz von selbst.

    Von der Elsbeere als Zukunftsbaum wird auch gesprochen.

    In Manchen Gegenden gedeihen Maronen wunderbar...

    Wilde Kirschen sehe ich auch sehr oft....

    Je mehr die Fichte zurück geht desto mehr Platz gibts für andere Pflanzen.

  • Je mehr die Fichte zurück geht desto mehr Platz gibts für andere Pflanzen.

    Ja, diese Entwicklung ist mir auch schon durch viel Recherche bewusst. Für mich ist nur besonders interessant, wie der Mensch einer positiven Entwicklung nachhelfen kann. Die Forstwirtschaft interessiert sich ja nicht unbedingt für die Variablen Möglichkeiten im Wald, sondern eher vorrangig um ihre Ernte. Könnte man nicht aber als "Guerilla-Bushcrafter*in" dem Wandel hin zu einer nutzbaren Natur nachhelfen und eben was auspflanzen oder bestimmtes Wachstum fördern?

  • Wenn ich Samen in der Umgebung verteile, um die Früchte später zu ernten, was ist der Unterschied zur Kultivierung?

    Es ist weniger invasiv, aber anthropogen.

    Also für mich hat eine Kultivierung immer damit zu tun, dass man sich intensiv um das jeweilige Gut kümmert. Bei Pflanzen heißt das, die Aussaat, Aufzucht, das Pikieren, das Pflanzen auf eine gewisse Art und Weise, das Schützen vor Unkraut und Krankheit usw.

    Wenn ich die Samen aber nur in die Umwelt ausbringe und sie sich dann selber überlässt, dann sehe ich das nicht als Kultivieren. Liege ich da mit meiner Definition des Begriffs irgendwie falsch? Also von Wikipedia sehe ich mich jetzt da irgendwie gestützt. ;)

  • Ich gehe mal davon aus, dass selbst indigene Völker nicht wahllos Samen in die Umgebung gestreut hatten.

    Entweder haben die an einem bereits bekannten Standort die Pflanzen vermehrt, durch menschgemachte Verteilung oder die Samen an Standorten, ähnlich der Ursprungsvegetation verteilt.

    Bzw werden sie gelernt haben, dass ihre Samen an bestimmten Standorten nicht gedeihen und diese dann nicht weiter verwendet haben.

    Und vermutlich werden sie besonders schmackhafte, ertragreiche, problemlose Pflanzen gewählt haben.

    Das Ganze mit dem Gedanken, dorthin zurück zu kehren.

    Finde ich schon Kultivierung, wenn auch nicht nach moderner Wiki- Definition.


    Wenn eine bestimmte Pflanze in der wilden Natur an dem Standort nicht vorkommt, ist es eben so und hat evtl Gründe.

    Allerdings musst du dir aber definitiv keine Gedanken machen, um eine Störung des Ökosystems in unserer Kulturlandschaft.

    Der Zug ist schon lange durch.

  • Habt ihr denn schon mal selber sowas gemacht? Also wirklich Samen oder Pflanzen mit zu euren liebsten Übernachtungsorten genommen und ein Jahr später vielleicht dann den Vorteil davon genossen? Oder hat das noch keiner ausprobiert?

    Wäre ja auch was mit Pilzen, oder? Wenn man an einem Ort super tolle Pilze findet, könnte man versuchen die auch an entsprechend geeigneter anderer Stelle anzusiedeln. Es gibt ja inzwischen auch ganze Sets zu kaufen, die man dann wild ansiedeln könnte...

  • Ich hab die Bärlauchpflanzen vom balkon gardening jetzt einfach mal in ein "Beet" auf unserer blockeigenen Grünfläche eingebuddelt. Draußen kommen die ja sonst auch jedes Jahr wieder.

    Mal gucken...

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  • Die Forstwirtschaft interessiert sich ja nicht unbedingt für die Variablen Möglichkeiten im Wald, sondern eher vorrangig um ihre Ernte.

    Da widerspreche ich dir erst mal vehement! Ich arbeite in der Forstwirtschaft und kann dir sicher sagen, dass nur das geerntet wird, was auch jährlich nachwächst. Da wird dann auch die "zufällige" Nutzung, wie es so schön heißt (Käfer- und Sturmholz), mitgerechnet.

    Zudem gibt es immer weniger Monokulturen, der Weg geht zu Mischwäldern. Und die forstlichen Versuchsanstalten suchen gerade massiv nach Lösungen, um Baumarten zu pflanzen, die mit der Verknappung des Grundwassers zurechtkommen.

    Zudem sind hier im Nordschwarzwald sehr viele Bannwälder, in denen nur an Wegen zum Zwecke der Verkehrssicherung eingegriffen wird. Alles muss liegen bleiben, nichts darf entnommen werden. So schaut man, wie sich ein Wald ohne das Zutun des Menschen entwickelt.


    Albbaer : Esskastanien und Co. sind derzeit im Versuch, mit den Verhältnissen auszukommen. Walnuss verbreitet sich meist über Tiere und Waldbesucher. Kirsche ist ein wertvolles Holz, das recht gute Eröse erzielt.

    „Ich finde, es sind die kleinen Dinge, alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten"
    (Mithrandir a.k.a Gandalf, "Der Hobbit")

  • Da widerspreche ich dir erst mal vehement! Ich arbeite in der Forstwirtschaft und kann dir sicher sagen, dass nur das geerntet wird, was auch jährlich nachwächst. Da wird dann auch die "zufällige" Nutzung, wie es so schön heißt (Käfer- und Sturmholz), mitgerechnet.

    Da habe ich mich vielleicht etwas ungenau ausgedrückt. Ich meinte es eher so, dass die Forstwirtschaft eben vorrangig auf das Holz aus ist, das es im Wald zu verwerten gibt. Es ist jetzt ja nicht unbedingt Ziel der Forstwirtschaft, dass mehr essbare Pflanzen oder Büsche oder Sträucher im Wald existieren.

    Ich frage mich da auch, wie es mit der Schädlingsbekämpfung aussieht, ob man überhaupt noch verzehren sollte, was im bewirtschafteten Wald wächst. Da kommen ja vermutlich keine Bekämpfungsmittel zum Einsatz, die lebensmittelgeeignet sind...

  • Joker2567 ... Die Esskastanien werd ich im Garten mal Pflanzen.


    In meiner Gegend ist da nix mit Schädlingsbekämpfung NewWorld . Allerhöchstens an den Poldern.

    Bannwälder finde ich sehr interessant...man kann da sehr schön beobachten was ohne Eingriffe passiert. Das schaut für viele halt nicht ordentlich genug aus.

  • Ich frage mich da auch, wie es mit der Schädlingsbekämpfung aussieht, ob man überhaupt noch verzehren sollte, was im bewirtschafteten Wald wächst. Da kommen ja vermutlich keine Bekämpfungsmittel zum Einsatz, die lebensmittelgeeignet sind...

    Da darfst du dich beruhigt zurücklehnen, im Wald werden keine Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt. Da in ganz Deutschland die Zertifizierung für das FSC-Siegel gilt, darf keinerlei Pestizid eingesetzt werden. Sogar bei massivem Käferbefall muss erst die Genehmigung eingeholt werden, bevor überhaupt irgendwas eingesetzt werden darf. Wir durften trotz großflächigem Käferbefall nichts anderes einsetzen als Entrindung des Holzes und anschließender Abdeckung der Rinde mit Silofolie. Gift ist tabu und würde eigentlich sofort die FSC-Zertifizierung ausschließen.

    „Ich finde, es sind die kleinen Dinge, alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten"
    (Mithrandir a.k.a Gandalf, "Der Hobbit")

  • Na nu!

    Nicht alle Forstverwaltungen der BRD sind FSC zertifiziert.

    Ich habe die genauen Zahlen nicht, nehme aber an, dass die meisten lediglich PEFC Mitglieder sind.

    Dort sind, soweit sich die Forstbetriebe nicht anderweitig selbst reguliert haben, selbstverständlich Schädlingsbekämpfungsmittel zulässig.

    Mittlerweile sind wenige Mittel aus Landwirtschaft und Weinbau für die Forst zugelassen, das stimmt und macht hoffnungsfroh, da das auch z B privaten Waldbesitz einhegt, der ansonsten kein Zertifikat wie Pefc oder Fsc zukaufen muss. Die sind da völlig frei, ausser der Endkunde verlangt ein Siegel. Was er häufig tut.

    Zur Zeit werden in ganz grossem Umfang Insektengifte auf Holzpolter verbracht, in vielen Bundesländern.

    Hier ist die Situation aber auch vergleichbar dramatisch wie beim Menschen Corona.

    Ansonsten hilft das Stichwort Integrierter Pflanzenschutz weiter.

    Ich halte trotzdem die meisten Forstverwaltungen für ausgesprochen ökologisch ausgerichtet. Kein Vergleich mit der breiten Landwirtschaft.

    :saint:

  • Ich halte trotzdem die meisten Forstverwaltungen für ausgesprochen ökologisch ausgerichtet.

    Na ja, es ist erwiesen, dass man die toten Fichten als Sonnenschutz für den jungen Wald

    stehen lassen sollte, stattdessen sehe ich Kahlflächen die der Sonne schonungslos ausgeliefert

    sind. Und man muss die abgeholzten Hölzer auch noch mit Schädlingsbekämpfungsmitteln

    behandeln.

    Das hat für mich nichts mit ökologischer Ausrichtung zu tun, sondern nur mit Geldgier.


    Gruss Konrad

    Wer nicht will, findet Gründe, wer will, findet Wege!

    Member of the "Arctic Circle Society"!

  • Wird bei uns durch Hessenforst großflächig genau so gemacht wie Konradsky beschrieben. Und auf den Holzpolter im Wald stehen Warnschilder mit dem Hinweis, dass das Holz mit Gift besprüht ist und man es nicht anfassen soll. Wir haben nur 2% der Wälder unter Naturschutz. Der Großteil sind Industrielle Baumplantagen.

    "Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut."
    Pippi Langstrumpf