Es gibt vermutlich keinen Ausrüstungsgegenstand im Outdoorbereich, über den mehr Unklarheit herrscht, als beim Thema Schlafsack.
Niemand möchte nachts frieren, niemand möchte zu viel Gewicht tragen, und jeder der gerne draussen schläft, sollte ein paar Grundregeln der Isolation verstehen - je kälter es wird, um so wichtiger!
Hier soll fachlich korrekt über die allgemeine Funktion eines Schlafsacks, oder -im weiteren Sinne- eines Schlafsystems informiert werden (Schlafsack + Isoliermatte bilden dabei eine Einheit).
Es geht hier nicht um einzelne Marken, Hersteller oder Modelle!
Dieser Artikel ist eine Gemeinschaftsarbeit des BCG-Forums und basiert auf Erfahrungswerten - er soll informieren und beraten, Kaufentscheidungen vereinfachen und als Hilfestellung gesehen werden, für diejenigen, die Nachts immer noch frieren
Ich freue mich über die Beteiligung jedes erfahrenen Schlafsacknutzers, der/die zu diesem Thema etwas beitragen kann/möchte. Ob ihr detailliert antwortet oder nur einen kurzen Hinweis gebt - ich werde jede brauchbare Information in diesen ersten Beitrag einfliessen lassen, damit es für unerfahrene, interessierte oder neue User überschaubar bleibt.
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Wärme: Nichts und niemand ausser DIR bringt die Wärme in den Schlafsack, dein Schlafsack isoliert lediglich (er hält die Wärme, die du abstrahlst). Dir ist eiskalt und dein Schlafsack ist laut Herstellerangaben und aktuellem Klima schon an seinem Komfortlimit angekommen? Dann empfiehlt es sich, noch vor dem hinlegen ein paar Meter zu joggen oder einen Hügel hoch zu laufen oder ähnliches (die Nutzung der Oberschenkelmuskulatur erzeugt am schnellsten die erforderliche Wärme im Körper).
Es gibt mehrere Umstände, die dafür verantwortlich sind, dass man nachts friert - nicht nur das Schlafsacklimit, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Wind. Ist man körperlich erschöpft? Hat man zu wenig gegessen? Hat man Angst oder sonstigen Stress? Wie gut ist die Bodenisolation/Isomatte? All diese Faktoren beeinflussen das eigene Wärmeempfinden massgeblich! - Schlafsackgrösse: Da DU die Wärme mitbringst, hat ein Schlafsack die optimale Grösse, wenn es so wenig Totraum wie möglich gibt. Deshalb ist ein viel zu weiter, oder überlanger Schlafsack suboptimal in einer kalten Nacht. Ist ein Schlafsack zu klein oder zu eng, wird jedoch die Füllkraft/Bauschkraft des Isolationsmaterials (Daune oder Kunstfasern) von innen zusammengedrückt - damit nimmt man dem Schlafsack die Fähigkeit, optimal zu isolieren.
- "EN13537": Diese EU-Schlafsacknorm wurde entwickelt, um verschiedene Schlafsackhersteller und Modelle miteinander vergleichen zu können. Die mit Abstand wichtigste Angabe ist die Komforttemperatur (Tcomf), die als Entscheidungshilfe beim Kauf verwendet werden sollte.
- Füllmaterial Daune: In der Regel wird Gänsedaune mit Federn in verschiedenen Mischverhältnissen verwendet (z.B. 90/10 = 90% Daune, hohe Qualität. 70/30 = 70% Daune, mittlere Qualität, usw). Vorteile gegenüber Kunstfaser: Das Verhältnis zwischen Wärmeisolation und Gewicht/Packvolumen ist bei einem Daunenschlafsack besser als bei Kunstfasern. Mehr Details, siehe unten.
- Füllmaterial Kunstfaser: Hier werden gekräuselte Polyesterfäden (oder auch Hohlfasern) verwendet, ähnlich der Wattierung in einer Winterjacke, um die notwendige Bauschkraft zu erzielen. Vorteile gegenüber Daune: Synthetische Schlafsackfüllungen sind unempfindlicher im Umgang und isolieren besser, wenn sie feucht sind (z.B. wenn der Schlafsack über einen längeren Zeitraum nicht adäquat gelüftet werden kann, bei anhaltendem Regen, oder in sehr feuchten Klimazonen). Kunstfaserschlafsäcke sind günstiger als Daunenschlafsäcke.
- Aussenmaterial: Soll leicht und fest sein, die Feuchtigkeit abweisen, Atmungsaktiv sein, und die Füllmaterialien nicht entweichen lassen. Meistens wird Nylon verwendet.
- Wärmekragen: Soll den Luftaustausch (Verlust der warmen Luft im Bereich der Körpermitte) verhindern, z.B. wenn man sich umdreht oder bewegt. Verfügt wie auch die Kapuze über eine Grössenjustierung.
- Kapuze: Der Mensch verliert bis zu einem Drittel seiner Wärme über Kopf und Hals. Daher sind Kapuzen, insbesondere mit einer Möglichkeit der Grössenjustierung, sehr wichtig. Eine Kapuze sollte sich im Gesichtsbereich bis auf die Grösse einer Faust zuziehen lassen, damit so viel Haut wie möglich bedeckt ist, der feuchte Atem jedoch ungehindert entweichen kann. Bei einzelnen militärischen Schlafsackmodellen gibt es auch separate Schlafhauben, die ein schnelleres Aussteigen aus dem Schlafsack ermöglichen.
- Reissverschlüsse: Viele Hersteller bieten ihre Modelle mit linksseitigen oder rechtsseitigen 2-Wege-Reissverschlüssen an, die meistens bis in den Bereich der Waden nach unten verlaufen. Somit kann bei warmem Wetter auch von unten belüftet werden. Schlafsäcke für sehr kalte Temperaturen weisen oft nur einen Reissverschluss auf, der bis zur Hüfte reicht. Manche Hersteller nutzen auch Reissverschlüsse, die mittig über der Brust verlaufen, es gibt auch Sondervarianten.
- Pflege: Jeder Schlafsack sollte nach einer Nacht so schnell und so gut wie möglich getrocknet werden, bevor er wieder verpackt wird! Sonne und Wind helfen dabei gerne - Ist ein Trocknen über einen längeren Zeitraum nicht möglich, kommt eine Dampfsperre zum Einsatz.
- Dampfsperre (VBL, Vapor Barrier Liner): Nur für erfahrene Anwender, die über längere Zeit in sehr kalten oder feuchten Gebieten unterwegs sind. Dampfsperren sind Luft- und Feuchtigkeitsdichte Säcke, die zwischen Anwender und dem eigentlichen Schlafsack Verwendung finden. Der Komfort ist hier zweitrangig. Sie sollen verhindern, dass verdunstender Schweiss sich im Schlafsack ansammelt, welcher tagsüber nicht ausreichend gelüftet und getrocknet werden kann.
- Isoliermatte: Ein komplettes Schlafsystem ist nur so stark wie seine schwächste Komponente! Daher sollte ein Schlafsack immer zusammen mit einer angemessenen Isomatte verwendet werden. Aufblasbare Matten sind in der Regel komfortabler, erfordern jedoch einen sensibleren Umgang. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt sollten aufblasbare Matten wegen der Kondenzfeuchte in der Atemluft mit einem Pumpsack/Pumpbeutel befüllt werden. Gerne können auch unterschiedlichste Matten übereinander kombiniert werden, um ausreichend Isolation zu garantieren. Ausschlaggebend ist am Ende der sogenannte "R-Wert", welcher als Richtwert für den "Wärmedurchgangswiderstand" gilt. Isoliermatten sind mit Daunen- oder Kunstfaserfüllung erhältlich, sowie als luftgefüllte Matten mit und ohne wärmereflektierender Wirkung. Die narrensichersten und stabilsten Matten werden aus reinem Schaummaterial hergestellt, wie z.B. Evazote.
- Inlets: Fleece-Inlets bringen -genau wie ein Fleecepullover- eine zusätzliche Wärmeleistung mit sich, sind jedoch (gemessen an der Leistung) oft recht schwer. Einzeln qualifizieren sie sich als Sommerschlafsäcke für warme Nächte. Baumwoll-Inlets dienen in der Regel als minimaler Deckenersatz in heissen Gebieten, oder als Ersatz der Bettwäsche in Jugendherbergen und einfachen Hütten. Seiden-Inlets stellen ein recht ausgewogenes Verhältnis zwischen Gewicht und Leistung dar, da sie sowohl bei Kälte wärmen, als auch kühlende Eigenschaften in warmen Gebieten aufweisen. Ausserdem schützt jedes Inlet den Schlafsack vor Verschmutzung und Körperfetten und kann bei Geruchsbildung einfach gewaschen werden.
- Tips & Tricks: Warmwasserflasche - eine Flasche mit möglichst viel Volumen (1L-1,5L aus Kunststoff, kein Metall) wird mit warmem Wasser randvoll (!) befüllt und in den Schlafsack mitgenommen.
- Lagerung: Daunen- oder Kunstfaserschlafsäcke müssen immer luftig und locker gelagert werden. Nicht komprimiert, nicht im Packsack! Wer möchte, kann spezielle Lagerungssäcke (aus Baumwolle oder Meshgewebe) kaufen, falls der Hersteller einen solchen nicht bereits mitliefert.
- Preise: Vom 20,- € Billig-Discounter-Deckenschlafsack für eine Sommernacht am Baggersee, bis zum 1000,- € Hardcore-Daunen-Sack für verschneite Berggipfel findet sich für alles ein Einsatzgebiet.
- Quilts/Under-Quilts: Ein minimalistischer Schlafsack-Decken-Hybrid der über dem Anwender und seitlich unter die Isomatte gesteckt, genutzt wird. Findet oft Verwendung bei Hängemattenschläfern oder sehr gewichtsoptimierten Leichtwanderern. Die Füllung besteht hauptsächlich aus Daune. Mehr Details, siehe unten.
- Liegeposition: Je tiefer die Temperaturen sinken, desto wichtiger ist eine gewisse "Liegedisziplin". Die dünner befüllte Rückseite eines Schlafsacks sollte immer der Isomatte zugewandt bleiben. Daher wird es empfohlen, sich innerhalb des Schlafsacks zu drehen, den Schlafsack also nicht mitzudrehen, wenn man seine Liegeposition ändert. Ausserdem gilt generell: Man sollte niemals in den Schlafsack hineinatmen, sondern Kopf und "Atemloch" der Kapuze zusammen ausrichten, so gut es geht.
Mitwirkende: Boltwoodit, Tarvandyr, schwyzi, Michas Pfadfinderei, ope, bugikraxn, Stefan, Torrfisk, Konradsky, Doom
4. Revision, Stand 14.12.2016