Die Hardangervidda ist ein wildes Hochplateau in Norwegen. Im Winter verwandelt sich das größte Hochplateau Europas in eine karge arktische Tundra, die extremen Wetterbedingungen ausgesetzt ist.
Das Klima ist äußerst rau und ungastlich, das Wetter wechselhaft und unvorhersagbar. Die Landschaft fasziniert durch ihre unendliche Weite und eine erstaunliche Vielfalt im Detail.
Mich hat diese besonders monotone Landschaft in ihren Bann gezogen. Es ist das Reduzierte und Lebensfeindliche – Erde und Himmel, Weiß und Blau, kein Baum und kein Strauch und endlose Weite, die Kälte, dieser ständige Wind – was mich so fesselt.
@Stephan_Wenzinger und @Marvin14 kamen am Donnerstag Nachmittag in Hannover an und wir verbrachten gemeinsam einen schönen Abend mit Gin Tonic, Bier und Bourbon Cola. Wir erkundeten die schönste aller Landeshauptstädte. Natürlich besuchten wir die angesagteste Sehenswürdigkeit (den Kiosk) in Linden. Am Freitag trafen wir uns mit @Doom und @Industriefreund zum Abendessen beim Inder. Anschließend ging es quer durch Linden zur Bar El Rincon Cubano. Dort tranken wir nach langer Durststrecke ein paar Biere und Cocktails.
Am Samstag starteten wir mit dem Auto nach Kiel, um mit der Fähre nach Oslo überzusetzen.
Dort trafen wir @Emil_Strauss, der seinerseits auch eine Tour mit seinem coolen „Mad Max“ Mobil unternehmen wollte.
Nach einer entspannten Überfahrt mit ein paar Dosen Indian Pale Ale und Pizza und guten Gesprächen fuhren wir von Oslo weiter zum Startpunkt; Solheimstulen.
Um uns mit dem Vierten im Bunde zu treffen. Defi sollte das Quartett vervollständigen. Die Freude war groß.
Nach ein paar Worten wurde die Ausrüstung zusammen gepackt und die Abmarschbereitschaft hergestellt.
Am fortgeschrittenen Nachmittag zogen wir los. Den Einstieg fanden wir dieses Mal ohne große Probleme. Das Navigieren (vorwiegend mit Kompass, Karte und GPS) auf dieser Tour war eine tolle Herausforderung, da diese nicht durch Birkenzweige etc. präpariert war. Das Wetter war alles andere als ideal: Es war eine Mischung aus Eis und Schneeregen direkt von vorne. Die Temperaturen lagen so rund um -3 Grad. Auf jeden Fall waren die Klamotten recht schnell durchnässt. Dazu kam der kalte Wind, der das Ganze gefrieren ließ.
Die erste Etappe war mit 7 km geplant, sodass wir unser Camp bei einbrechender Dämmerung aufbauen konnten. Jeder half dem anderen und alle packten mit an. In kurzer Zeit standen die Zelte. Nachdem jedes eingerichtet war wurde Schnee geschmolzen, Tee gekocht und Essen gemacht.
Am nächsten Morgen sah die Welt ganz anders aus. Das Wetter vom Vortag hatte sich weitestgehend verzogen, die Temperatur fiel noch etwas und man konnte die Sonne hinter den Wolken schon erahnen. In bester Erwartung sang ich: Liebe, liebe Sonne …
Der Wind blieb, aber die Sonne steckte tatsächlich ihr liebes Gesicht aus den Wolken, um zu sehen welch ein Wesen so engelsgleich singt.
Nach einigen Stunden durch diese unwirkliche Landschaft riefen @Marvin14 und @Stephan_Wenzinger @Defi und mir etwas zu, was wir aufgrund des Windes nicht auf anhieb verstanden. Sie riefen „Rentiere“. Wir sahen eine Rentierherde von grob geschätzt 400 Tieren. Ein einmaliges Erlebnis. Die Tiere zogen eng zusammen durch ein Tal. Das Haupt tief gesenkt über dem Schneebedeckten Boden. Am Ende liefen die Nachzügler. Wir standen wie die Jäger aus längst vergangenen Tagen auf dem Berg und schauten auf die beeindruckende Herde.
Etwas später trafen wir auf deren Spuren, die sie auf ihrer Reise durch die winterliche Hardangervidda hinterließen. Es fehlten einem die Worte.
An diesem Tag sollten wir noch weitere Male auf diese Herde treffen.
Nach einem langen Tag ohne richtige Mittagspause und voller Eindrücke kamen wir zur ersten Hütte auf unserer Tour: die Mårbu Hütte.
Die Hütte war gemütlich und gut ausgestattet. In der Stube und der Küche stand jeweils ein Holzofen. Den in der Stube nahmen wir in Betrieb. In der kalten Küche schmolzen wir Schnee, kochten Tee und Essen. Wir füllten unsere Thermoskannen und ordneten unsere Ausrüstung für die nächste Etappe.
Wir wollten uns am nächsten Tag früh auf den Weg machen, da wir einige Kilometer auf dem Zettel hatten und den Wind wieder von vorne haben würden.
Nachdem alles auf Stand war machten wir es uns in der Stube so richtig gemütlich.
Rund um den Ofen hingen Handschuhe, Buffs, Socken, Shirts und Schuhe.
Defi hatte Tee mit Zucker und Rum im Angebot, welcher sich zum Top Seller entwickelte.
Am nächsten morgen ging es wie üblich um kurz vor 9 Uhr los ins weite Fjell.
Die Wetterbedingungen wurden immer schlechter. Die Sichtweite lag teilweise bei 50 m. Das Laufen nach der mit Karte und Kompass ermittelten Marschzahl erwies sich über die gesamte Tour als überaus nützlich. Die aktuelle Position wurde immer mal wieder mit dem GPS abgeglichen.
Nachdem die geplante Tagesetappe erfüllt wurde bauten wir bei heftigen Winden mit Schneegestöber unsere Zelte auf. Dabei führte der sehr gute Teamgeist dazu, dass alle Zelte schnell aufgebaut waren und es ein gemeinsames Essen (veganes Gul-Arsch mit Spätzle) in Marvins Pillepalle, Hillipille ach nee, Hilleberg-Zelt serviert wurde.
Defi teilte tapfer seinen Rum und Zucker mit uns.
Am nächsten Tag wurden wiederum alle Zelte gemeinsam abgebaut.
Das Wetter war über die Nacht nicht besser geworden. Der Wind hatte wieder genau entgegen unserer Marschrichtung gedreht …
Langsam kamen wir voran. Immer wieder fanden wir alte Pulka-Spuren.
Nachmittags kamen wir in Rauhelleren an. Dort wollten wir eigentlich (ganz dekadent) ein Vierbettzimmer nehmen, warm Duschen und etwas essen und trinken. Doch leider waren wir zu früh dran, denn die Hütte machte erst am Freitag auf (heute war Mittwoch). Immerhin bekamen wir auf nette Nachfrage hin eine große Kanne Kaffee, Milch und Zucker und noch ein paar Limos.
Wir übernachteten in der gegenüber liegenden DNT Hütte, die auch wieder sehr gemütlich eingerichtet war und sogar mit einer Toilette ausgestattet war.
In der Stube war es herrlich warm, da es sich dort bereits zwei nette Briten gemütlich gemacht hatten. Nach der Begrüßung und dem „Wo kommt ihr her und wo wollt ihr hin und seit wann seit ihr unterwegs“ wurden erstmal wieder die Schlafstätten hergerichtet, Zeug ausgebreitet und getrocknet.
Später kamen noch zwei weitere Deutsche in die Hütte. Zwei nette Typen aus Potsdam. Schon lustig, dass wir uns erstmal fünfzehn Minuten auf englisch unterhalten hatten, bis jemand fragte, wo her wir denn kommen würden …
Wir verlebten den Abend mit den üblichen Routinen: Schnee schmelzen, Thermoskannen für den nächsten Tag auffüllen und die Ausrüstung richten.
Nach getaner Arbeit saßen wir zu ein paar Runden Uno und Phase 10 und natürlich Tee mit Zucker und Rum und Whiskey zusammen.
Am nächsten Tag machten wir uns bereits in der Dämmerung auf den Weg. Die Tagesetappe sollte 15 km betragen.
Das Wetter war uns hold. Die Sonne schien den ganzen Tag über und ein starker Wind schob uns voran.
Mittags machten wir an ein paar Hütten eine kurze Pause. Wir wollten etwas Warmes essen und so startete ich „Fauchi“ (den Benzinbrenner), was bei diesem Wind schon eine kleine Herausforderung war.
Im Windschatten der Hütten aßen wir unser Essen.
Anschließend ging es frisch gestärkt ans Werk, um am Ende tatsächlich auf 20 km zu kommen.
Wie gewohnt stellten wir unsere Zelte auf und ich mußte Marvin an diesem letzten Abend zeigen, was ich über die Zeit alles über den Aufbau und Abbau, Reißverschlüsse und Verarbeitung seines Pillepalle, Hillipille, ach jetzt: Hilleberg-Zelt gelernt hatte.
Marvin prüfte mich sehr streng. Am Ende erwarb ich tatsächlich das allseits sehr begehrte Pillepalle, Hillipille ach verdammt… Hilleberg-Diplom.
Abends saßen wir alle in Marvins Zelt. Wir tranken Tee mit Zucker und Rum, aßen das letzte Essen und quatschten über ditt und datt.
Am letzen Tag kamen wir gegen Mittag an unserem Startpunkt an. Verpackten das Zeug und freuten uns darüber, diese Tour gemeinsam durchgezogen zu haben.
Defi fuhr in seinem geilen Defender weiter gen Norden und wir wollten nach Oslo, um dort noch eine Nacht zu verbringen und um dem dortigen XXL Shop einen Besuch abzustatten. Am Samstag würden wir die Fähre nach Kiel nehmen.
Wenn man so nach fünf Tagen aus dem Fjell kommt und von der ganzen Corona-Virus-Entwicklung aufgrund des schlechten Mobilempfangs nichts mitbekommen hat, dann hat es echt was von Endzeitstimmung.
Kurz vor Oslo haben wir erfahren, dass Colorline die Fährverbindung Oslo–Kiel eingestellt hat und Dänemark die Grenze schliessen will.
Der Krimi begann. Unsere Gedanken fuhren Achterbahn. Wir gingen die Optionen durch: Mit der Fähre von Göteborg, Trelleborg, Kristiansand oder mit dem Auto über Festland: Malmö …
Wir entschieden uns für die Autofahrt über Malmö, Kopenhagen, Flensburg.
Einerseits, um nicht ggf auf einer Fähre zu stranden und andererseits um mit dem Auto flexibler zu sein.
Wir planten einen Stopp in Kopenhagen bei meinen Verwandten ein und fuhren direkt bis dorthin durch. Bis auf einen kurzen Stopp, um zu tanken und um uns mit Wasser, Cola, RedBull und Essen (Tacco Friday) einzudecken. Das Ganze hatte echt etwas von Flucht.
Gegen 22 Uhr kamen wir in Kopenhagen an. Wir bekamen ein leckeres Abendbrot mit Holunderbier. Und nach sechs Tagen endlich eine Dusche. Anschließend fielen wir ins Bett. Mir steckte die lange Fahrt in den Knochen.
Am nächsten Morgen ging es nach dem Frühstück los auf die Piste Richtung Deutschland.
Ohne weitere Zwischenfälle erreichten wir Hannover gegen 14 Uhr.
Nachdem all mein Gepäck ausgeladen war deckten sich Stephan und Marvin noch mit Essen und Trinken für die Weiterfahrt in die Schweiz ein.
Viele Grüße und bleibt gesund