Thema Psyche bei Solo-Touren

  • 17 Jahre nur mit Leuten sagst du.


    Da wirst du es vielleicht nicht gewöhnt sein. Wenn du eine sehr soziale Person bist, kann dass zu Problemen führen.
    Aber wenn du das schon von dir aus willst, scheint da ein Bedürfniss dafür da zu sein.
    Darum denke ich, wirst du das schon schaffen.


    Manchmal bricht das aber erst beim zweiten oder dritten mal durch, bis es einem egal ist alleine zu sein.


    Um dir mal eine andere Sichtweise zu verpassen. Landschaft ist nicht gleich Landschaft. Eifel im Sommer ist ja nahezu ein Paradies. Alles um dich herum lebt und erzählt seine Geschichte, du kannst fast dauernd damit beschäftigt sein etwas zu machen oder zu beobachten. Eigentlich ist man dort nie wirklich allein.
    Darauf gekommen bin ich auch erst nachdem ich aus weitaus leereren und deprimierenderen Landschaften in Wälder zurück gekommen bin.

  • Ich denke auch das Alleinsein sehr typabhängig ist. Bei uns liegt es in der Familie da mein Vater schon extreme Solotouren unternommen hat und dies hat er mir irgendwie vererbt wobei ich ich es etwas gesitteter angehe.
    Man sollte auch die Vorteile von Solotouren beachten (wie von anderen schon angesprochen).
    Man ist sein eigener Herr! Man kann das eigene Tempo gehen und gehen und stehen wo man möchte.
    Man findet den Ort so schön und will noch einen Tag bleiben? Kein Problem.
    Man muss etwas langsamer gehen weil man sich nicht wohl fühlt? Aber gerne.
    Auch wenn man in einem Team unterwegs ist, in dem alle gleichberechtigt sind und offen reden können, gibt es doch immer unausgesprochene Erwartungen (wenn auch nur angenommene).
    Sehr gut hat das Christine Thürmer in ihrem Buch "Laufen, Essen, Schlafen" beschrieben (siehe hier).

  • Solotuoren helfen die Birne von Ballast zu befreien.
    Ging mir immer so.
    Du kannst vor Dir selbst nicht weglaufen.
    Ohne Ablenkung, wie im Alltag.
    Es passiert.
    Geistige Täler wird es auch geben.
    Aber unterm Strich fand ich es sehr befreiend.


    Was aber dabei rausgekommen ist, ist, das mir manche Zeitgenossen noch mehr auf den Senkel gehen als vorher.
    Zeitdiebe.

  • @Desertstorm


    Du bist eine jener Ikonen, die das lebt, wovon andere träumen. ;)


    1997 war ich zuletzt im Urlaub (Portugal), 1999 zuletzt im Kino, dieses Jahr gehe ich mit meiner Frau ins 18. Jahr. Wir haben drei Kinder großgezogen, lediglich die Kleene (18) geistert hier noch rum, wird aber allmählich auch flügge.


    Wenn uns Krankenhausaufenthalte, kurze Abstecher während der Montage oder Aufenthalte meiner Frau bei ihrer Freundin nicht trennten, haben wir einerseits nur uns, unternehmen aber auch nahezu alles zusammen. Es gibt zumindest nicht viele Interessen, die wir nicht teilen.


    Ich liebe die Unternehmung mit meiner Frau, mit meinem Schwager und dessen Frau, mit den "üblichen Verdächtigen" oder auch mit mehreren Personen, wie ich zuletzt feststellen konnte. Solo-Touren, wenn ich sie bisher auch nur am Tag wahrnehmen konnte, haben aber - aus den bisher genannten Gründen - auch etwas für sich. Und ich gestehe, dass der Ruf der (kurzfristigen) Freiheit derzeit etwas groß ist. Ein Vorhaben, ein Projekt, ein Experiment, aber einfach nur mal für mich alleine. Ohne Zwang, ohne Rücksicht, ohne Wenn und ohne Aber.


    Ich ziehe den Hut vor deinen Expeditionen in die Wüste bzw. in die Karpaten. Egal was du unternimmst und wovon du berichtest, ich stand und stehe in den Startlöchern. Ich genieße zwar nicht die Freiheit, mich für Zeitraum x ausklinken zu können, möchte aber dennoch den Hauch dieser Freiheit kennenlernen. Lieber jetzt, mit 40, als mit 60 sagen zu müssen: "Hätt'ste mal."


    Die Eifel bietet sich einfach an, egal ob man sie abschnittsweise als Amazonas Deutschlands oder als Little Canada bezeichnet. Sie ist, wie von dir selbst beschrieben, ein vielseitiges Paradies; gerade im Sommer. Sie ist aber auch der relativ günstige Mittelpunkt, schnellstmöglich wieder zu Hause zu erscheinen, wenn etwas sein sollte. Quasi der Schritt vor die Türe in die fiktive Wildnis. Und da mich @Rockdog in 5 Jahren scheinbar nicht mit auf die Alpen nehmen möchte, werde ich in 5 Jahren wohl bei dir mal wegen der Karpaten anklopfen dürfen. ;)


    Nein, Scherz beiseite, aber da es im letzten Jahr nichts mehr gegeben hat, würde ich mich freuen, mit dir in diesem Jahr mal was in Angriff nehmen zu können. Dann wohl auch mit Übernachtung... :whistling: ;)


    @Orome


    Das Buch von Christine steht tatsächlich auf meiner Liste. :D :thumbup:

  • Hallo Rudi,


    ich selbst bin ganz gern allein und auch allein unterwegs. Ich habe schon draußen allein übernachtet und ich habe schon ein paar Reisen allein gemacht. Trekkingtouren waren allerdings bisher noch nicht dabei.
    Ich bin schon wochenlang allein durch mehrere Länder gezogen, habe mich damals aber noch nicht getraut mich weit von der Zivilisation zu entfernen (und als ich wochenlang Mitten in der Natur war, hatte ich eine Hand voll Leute dabei). Ich habe auch schon allein Wanderurlaub in den Bergen gemacht, habe da aber auf einem Bauernhof übernachtet und Tagestouren gemacht.
    Ich bin also was das draußen allein schlafen betrifft nicht viel weiter als du. Mal eine Nacht im dicht besiedelten Deutschland ist keine große Sache finde ich.
    Dem Thema Einsamkeit/allein sein kann man sich aber von verschiedenen Seiten nähren. Ich finde man kann mitunter in einer Menschenmasse sehr einsam sein und sich andererseits an einem abgeschiedenen Ort in der Natur gut aufgehoben fühlen.

    _________________________________________________________________________________________________________________________
    Mit jeder Sprache, die du erlernst, befreist du einen bis daher in dir gebundenen Geist. Friedrich Rückert

  • Man sitzt sich selbst gegenüber, ist nur mit sich konfrontiert. Mit seinen Erlebnissen aus der Vergangenheit, dem Verdrängten, dem sich Ausgeliefertfühlen. Das verändert sehr, sehr viel in der Psyche.
    Und, ich darf im Nachhinein sagen: Genau diese Zeiten gehören zu den wertvollsten Schätzen in meinem Leben, die ich um nichts in der Welt hergeben würde. Sie haben mir Selbstvertrauen, Gelassenheit, Zuversicht und innere Versöhnung mit Menschen und Umständen geschenkt.

    Besser kann ich das nicht ausdrücken.

    also hoffe ich du kannst dich leiden

    Ja, auch das stimmt. Je länger die Einsamkeit, desto mehr unschöne Dinge findet man an sich selbst. Aber das ist nicht schlimm, an denen kann man arbeiten, und beim nächsten mal mag man sich schon besser ;)

  • Wie oder was kann ich mir darunter vorstellen?


    Grundlegend bin ich mit mir im Reinen. Gehe ich mir mit der Zeit selber auf den Sack, oder ... ?

  • Moin,
    schöne Beiträge die man hier liest.
    Bei mir war es so das ich meine ersten zwei Solotouren abgebrochen habe.
    Die erste habe ich abgebrochen weil ich mit mir selber überhaupt nicht klar gekommen bin.
    Dann die zweite weil ich meine Ausrüstung komplett überschätzt habe. Schlafsack zu kalt Isomatte war der Horror. Ich habe gegen 01:00 Uhr abgebrochen. Da ich mit der Bahn angereist bin fuhr natürlich nichts mehr in der Pampa.
    Zur Wahl standen am Bahnsteig sitzen und weiter frieren oder Richtung nach Hause wandern.
    Der Entschluss stand schnell fest. Wandern.
    Habe danach lange mit mir gehardert das nochmal zumachen. Aber alle Guten Dinge sind drei.
    Ich bin total entspannt wieder gekommen.
    Ich freue mich schon auf Deinen Erfahrungsbericht @08/15

    Manche sagen, ich sei bekloppt ich find mich verhaltensoriginell.


    BCG Wildkatzen.

  • Oh, das ist, zumindest für mich, schwer zu erklären @08/15.


    Aber ich fang mal an: Wir alle sind ja nicht unfehlbar. Und so manch kleiner Fehler wird schnell untern Teppich gekehrt, oder eben schneller abgehakt als es gut wäre. Je nachdem wie man das sehe will. Und wenn man jetzt viel Zeit mit sich allein hat, schaut man halt mal wieder untern Teppich ;) . Der eine findet mehr, der andere findet weniger darunter. Und damit muss man halt umgehen können.
    Auch schlimme Dinge die uns mal passiert sind können lange in uns schlummern. Weil man ja weitermachen muss.... auch sowas kann wieder auftauchen.


    Versteh mich nicht falsch, aber ich kanns irgendwie nicht anders ausdrücken: Mit sich im Reinen zu sein ist schön, aber oft denken wir das nur weil uns schlicht die Zeit fehlt so maches zu vertiefen. Oder weil wir zu abgelenkt sind.
    Letztlich ist es aber gut (also für mich) sich mal sich selbst zu stellen. Ohne Ablenkung, ohne Abkürzung.

  • Einsamkeit kann helfen aus dem Hamsterrad/der Tretmühle raus zu kommen. Dadurch ergeben sich neue Blickwinkel, die eine Selbstreflektion anregen: Seit Jahren mache ich dies oder jenes und auf einmal wird es hinterfragt, weil die "Betriebsblindheit" weg fällt. So etwas kann helfen "Balast" ab zu werfen oder es kann auch Ängste auslösen, die überwunden werden müssen.

  • Wie oder was kann ich mir darunter vorstellen?


    Grundlegend bin ich mit mir im Reinen. Gehe ich mir mit der Zeit selber auf den Sack, oder ... ?

    Du denkst über deine Sünden nach und denkst was du manchmal für ein Arsch warst obwohl du jetzt hier so alleine sitzt und kein Wässerchen trüben kannst ;) .
    Rudi,in 5 Jahren nimm ich dich mit in die Alpen :) !Wir beide den E5?


  • Je länger die Einsamkeit, desto mehr unschöne Dinge findet man an sich selbst. Aber das ist nicht schlimm, an denen kann man arbeiten, und beim nächsten mal mag man sich schon besser ;)

    Die andere Variante ist einfach so lange bleiben bis alles geklärt ist. Der Punkt kommt meist in der dritten bis vierten Woche. ;)

    Skal hilse fra fjellet – det evige land,
    hvor moskus og jerven har bolig.
    Min lengsel dit inn er blitt som en brann.
    Kun der får jeg fred og blir rolig...


    Jon Ø. Hov

  • Hej hej.


    Wenn ich alleine unterwegs war, waren das eigentlich nur einzelne Nächte (in Värmland).
    Und jedes mal habe ich daran gedacht, mir was zum Schreiben mitzunehmen. Beobachtungen,
    Gedanken, Ideen aufzuschreiben, hilft vielleicht, wenn man länger draussen ist.
    Naja, ich hab's nie geschafft, hatte nix mit und auch nie die Zeit da draussen. Musste ja angeln,
    Tiere beobachten, hoffen, dass mich der Wolf oder Bär nicht erwischt :D .


    *winks* Ted

    Det finns inga problem, det finns bara lösningar. ;) .


    "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen." (Ludwig Wittgenstein)

  • @08/15


    Schreib mal wenn einen berüchtigten "Overnighter" machen möchtest. Oder auch Tagstour oder ähnliches. Du musst mir ja auch mal die alten Tagebaue mit den großen Feuersteinen zeigen und soweit voneinander weg sind wir auch gar nicht. Ich kann dich auch am Wochenende im VRS Bereich mit öffentlich mitnehmen, sollte das notwendig sein, von wegen Tour Start und Ende etc.


    @Solotour abgebrochen.


    Hab ich einmal, genaugenommen letztes Jahr in Marokko. Ich hatte schon so viele Wanderungen hinter mir, habe mich verletzt und habe es nicht geschafft den Jbel M'goun von Norden her zu besteigen, dass ich es etwas verkrampft von Süden aus noch mal probierte in Angriff zu nehmen, doch mein Körper war zu ausgelaugt und ich hatte bereits 6 Kilo abgenommen.
    Wäre ich noch eine paar Tage bei der Berberfamilie geblieben und hätte mich in den Gärten ausgeruht, wäre alles gut gewesen.
    Das ist beim alleine Reisen auch sehr wichtig, sich Zeit zu nehmen und seine Zyklen zu kennen und es nicht zu übertreiben.
    Ich bin jemand der wenn er ganz alleine geht und keinen hat der mich bremst, mich manchmal ziemlich verschleiße.
    Auch so Sachen auf die man achten muss.


    Dafür ist meine psychische Gesundheit recht stabil. Eigentlich denke ich auch gar nicht wirklich viel über Gott und die Welt nach. Ich mach einfach weiter. Manchmal würd ich mir aber rückblickend vielleicht etwas mehr Selbstzweifel oder Kritik wünschen, weil ich dann nicht so über die Stränge schlagen würde.

  • @08/15 wenn es Dir darum geht, alleine zu sein, Dich kennen zu lernen dann wäre doch der Winter die bessere Zeit.
    Da die Nächte lang und die Tage kurz sind kann man nicht so viel unternehmen und hat mehr Zeit für sich.


    Viel kommt auch auf sich selbst an - inwieweit man Ängste von sich fernhalten kann.
    Beispiel letztes Jahr in Afrika - zwar nicht alleine sondern mit Familie. Unter anderen waren wir mit Zelten zwei Nächte auf einer Katzenschutzfarm. Es wurde bei den Informationsveranstaltungen erzählt, die Zeltplätze sind im sicheren Bereich.
    Am zweiten Abend waren wir privat innerhalb des sicheren Bereiches zum grillen eingeladen. Junior fragte plötzlich, weshalb um das Haus und Garten nochmal Strom ist. Die Antwort war - naja, abundzu verirrt sich da mal ein Leopard.
    Meine Frau traute sich nachts nicht mehr alleine aus dem Zelt zum Klo. Mir war es egal.. Ich war da völlig unbekümmert.
    Im Nachhinein gesehen war es vielleicht dumm von mir und es war nur Glück, daß nichts passierte.
    Aber Du siehst, jeder Mensch geht damit anderst um.

  • Um noch mal das Bild von @Albbaer aufzugreifen: Man findet nicht nur Mist unter dem Teppich, sondern man lernt ebenso seine guten Seiten kennen.
    Als ich meine ersten Touren gelaufen bin, hab ich mich sozusagen "freigelaufen" von allen möglichen Tu-Dies-Nicht, Tu-Das-Nicht. So von wegen Frau alleine unterwegs, wer sich in Gefahr begibt, usw. usf.


    Ich habe mich ganz besonders auf meinen Solotouren besser kennengelernt, vor allem im Guten - wo meine tatsächlichen Grenzen sind, und damit auch, was meine Stärken sind.


    Während ich die ersten beiden Touren noch auf Zeltplätzen geschlafen habe, fing ich danach an, mich mit der berühmten ersten Nacht allein im Wald auseinanderzusetzen (man findet ja nicht überall Zeltplätze, nech?).
    Inzwischen fühle ich mich "sicher". Klar bin ich vor längeren Touren noch aufgeregt, aber das ist hauptsächlich Vorfreude und legt sich, sobald ich unterwegs bin... Alleine mit mir...



    Das Baumkind

  • Was zum Schreiben würde ich übrigens auch mitnehmen. Ich habe unterwegs schon diverse 'Werke' verfasst.


    Und einen Wecker kannst du natürlich mitnehmen. Bei mir ist es allerdings so, dass ich draußen durch das Tageslicht viel leichter wach werde, obwohl ich eigentlich auch ein Langschläfer bin.


    Im Übrigen kommt mir das sehr bekannt vor was du oben zu deiner Familien- bzw. Lebenssituation schreibst. Mir geht es auch so, dass lange Zeit die Familie im Vordergrund stand und noch steht (mit so einigen Baustellen in sämtlichen Generationen), ich mich aber schon darauf freue, dass das auch wieder nachläßt und ich dann wieder ganz andere Touren machen kann.

    _________________________________________________________________________________________________________________________
    Mit jeder Sprache, die du erlernst, befreist du einen bis daher in dir gebundenen Geist. Friedrich Rückert

    • Offizieller Beitrag

    Wie oder was kann ich mir darunter vorstellen?


    Grundlegend bin ich mit mir im Reinen. Gehe ich mir mit der Zeit selber auf den Sack, oder ... ?

    Du weißt nicht, was wirklich in dir drinsteckt. Was du verdrängst. Vielleicht hast du zur Zeit noch nicht einmal eine Ahnung davon. Verdrängung ist für manche eine geradezu lebenswichtige Schutzfunktion, um mit Traumata klarzukommen. Deshalb bewerte ich Verdrängung per se nicht negativ. Wenn man aber über längere Zeit die Ablenkungsmechanismen (Arbeit, Medien jeglicher Art, soziale Kontakte, Betäubungsmittel etc.) meidet, können die Deckel der zuvor mühsam verschlossenen Erinnerungsfässer wieder aufgehen.